Fachkräfteprogramm für die Multiplikatoren der internationalen Jugendarbeit
„Geschichte im Dialog”
23.-27. März 2022 / Europäisches Solidarność Zentrum
Vom 23. bis 27. März fand im Europäischen Solidarność Zentrum in Gdańsk der Workshop „Geschichte im Dialog – ein deutsch-polnisches Fachkräfteprogramm für Lehrkräfte und Fachkräfte aus der außerschulischen Jugendarbeit“ statt. Die Träger des Programms waren die Europa Union Kassel e.V und der Verein „Warto być przyzwoitym“ [„Es lohnt sich anständig zu sein“] aus Gdańsk, die Schirmherrschaft übernahm die deutsche Generalkonsulin, Dr. Cornelia Piper. Die Idee zum Workshop entstand während einer Bürgerreise der Europa Union nach Gdańsk im Herbst 2021. Zu den vielen Begegnungen dort gehörte auch ein Treffen mit Mitgliedern des Vereins „Warto być przyzwoitym“, der sich für das Bekanntwerden des Gedankengutes von Prof. Władysław Bartoszewski einsetzt. Wir wollten gemeinsam den 100. Geburtstag des Professors feiern in dem wir etwas veranstalten, was seine Botschaft von Versöhnung und Völkerverständigung verwirklicht. So entstand die Idee eines deutsch-polnischen Workshops zum Thema „Geschichte im Dialog“. Daran nahmen 34 Personen (jeweils 17 aus Deutschland und Polen) teil, sie wurden begleitet von 2 Dolmetscherinnen, 4 externen
Referent*innen und Zeitzeugen.
Das auf 3 Tage ausgelegte Programm war sehr dicht, was nicht zuletzt am Veranstaltungsort lag. Gdańsk ist eine Stadt in der die Geschichte, insbesondere die Geschichte des 20. Jahrhunderts, greifbar ist. Das erste Highlight erfolgte sofort zu Beginn, als uns der legendäre Gewerkschaftsführer, Friedensnobelpreisträger und ehemalige Präsident Polens Lech Wałęsa besuchte (eine Aufnahme ist hier zu finden)
Anschließend führte Prof. Robert Traba mit einem Vortrag mit dem Titel „Ein Jahrhundert der Extreme. Die Bedeutung der Geschichte im internationalen Dialog“ ins Thema ein. Als Experte für das Thema Erinnerungsorte sensibilisierte er die Zuhörer für die Vielfalt der Perspektiven in Hinblick auf bestimmte geschichtliche Ereignisse, die durch verschiedene Völker als wichtig angesehen und doch unterschiedlich gedeutet werden.
Diese Vielfalt der Perspektiven und Erzählungen wurde bei der Besichtigung der Ausstellung im Museum des 2. Weltkrieges deutlich. Vor allem die Teilnehmenden aus Deutschland berichteten, dass sie viel Neues über den Krieg erfuhren und eigentlich viel mehr Zeit für das Museum bräuchten. Eine besondere Brisanz erhielt dieser Besuch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Ukraine. Eine Teilnehmerin formulierte es so: „War Putin hier und hat eine Checkliste erstellt, was in der Ukraine zu tun ist und arbeitet sie jetzt ab? Mich fröstelt, ich dachte, ich werde über solche Ereignisse nur als über die Geschichte reden und jetzt sind es die Tagesthemen.“
Etwas praktischer wurde das Thema in dem Workshop von Małgorzata Chachaj aufgegriffen. In Übungen und anschließenden Auswertungsgesprächen wurde deutlich, wie sehr die kulturellen Werte die Wahrnehmung und Bewertung verschiedene Ereignisse beeinflussen.
Am zweiten Tag konnten die Teilnehmenden die Impulse aus dem Vortrag von Professor Traba, von den Wahrnehmungen aus der Begegnung mit Lech Walesa sowie die Entdeckungen im Museum des II. Weltkrieges in die Erarbeitung eines Unterrichtsentwurfes in gemischten, deutsch- polnischen Arbeitsgruppen einfließen lassen. Die Arbeitsgrundlage bildete das von der deutsch-polnischen Schulbuchkommission erarbeitete Lehrwerk „Europa. Unsere Geschichte“, Band 4. Die wichtigsten Prinzipien des zukunftsweisenden Geschichtsbuches sind Kontrastivität und Perspektivwechsel. Dadurch entsteht sehr viel Raum für die Meinungsfindung für Lehrer wie Schüler. In den fünf Arbeitsgruppen wurde dieser Raum für einen geradezu leidenschaftlichen Dialog zwischen den polnische Lehrern und den deutschen Studenten und Lehrkräften genutzt. Hier konnte das Verständnis für den jeweils anderen Standpunkt und Erklärungsmuster entstehen. Hier war die Basis für die Entfaltung einer dialogischen Erinnerungskultur im europäischen Kontext spürbar geworden. Die geschickte Einführung in diese Arbeitspause und Moderation in allen Etappen lagen in den Händen des erfahrenen Geschichtsdidaktikers Volker Habermaier.
Am Nachmittag führte Agnieszka Piórkowska, die Leiterin der Bildungsabteilung des Europäischen Solidarność Zentrums durch die Ausstellung, in der das Leben in einem kommunistischen Land, die Geschichte der Solidarność Bewegung und die Ereignisse der Wendezeit dargestellt werden.
Dies war eine gute Vorbereitung für den Abend, an dem wir auf Einladung des deutschen Generalkonsulates in der Tawerna Mestwin bei guter kaschubischer Küche einen sehr persönlichen Bericht von Lech Norbert Kosiak, einem Aktivisten der Solidarność Bewegung in den 80er Jahren, lauschen konnten.
Zum Schluss zeigte Dr. Judyta Bielanowska in ihrem Vortrag „Instrumentalisierung der Geschichte für politische Zwecke“ wie wichtig das Geschichtsbewusstsein für die Identitätsbildung ist und warum es so anfällig für Manipulation ist, wodurch sie eine sehr intensive Diskussion anregte.
Den großen Abschluss bildete das Konzert „Solidarität mit der Ukraine“, das vom deutschen Generalkonsulat in Danzig veranstaltet wurde und zu dem die Teilnehmenden eingeladen wurden.
Das Programm war also sehr intensiv, was die Teilnehmenden einerseits sehr positiv bewerteten, andererseits aber durchaus Erschöpfung signalisierten und baten, es bei einer Fortsetzung auf mehrere Tage aufzuteilen.
Die Teilnehmenden knüpften konkrete Kontakte untereinander, es wurden Pläne für gemeinsame Projekte geschmiedet und die ersten Schritte in diese Richtung sind bereits eingeleitet worden.
Das Projekt wurde durch die Sanddorf Stiftung und das Deutsch-Polnische Jugendwerk gefördert.
Termin: 23. - 27. März 2022
Ort: Gdańsk, Europäisches Solidarność Centrum /ECS=Europejskie Centrum Solidarności / Plac Solidarności 1
Referenten: Prof. Dr. Robert Traba - polnischer Historiker und Politikwissenschaftler, Agnieszka Piórkowska - Museumspädagogin, Kuratorin im ECS,Małgorzata Chachaj - Fortbildnerin; Schwerpunkt - Interkulturelle Kompetenz, Piotr Zubowicz - Senior-Fachkraft für Lehrerfortbildung im CEN Gdańsk,
Schirmherrin: Generalkonsulin Cornelia Pieper in Danzig
Kosten: ca. 150 Euro Eigenanteil
Unterkunft: Hostel „Flip“ in unmitelbarer Nähe des ECS
Anreise: mit der Bahn, Umstieg in Berlin, Dauer - über 8 Stunden
Deutsch-polnisches Organisationstaem: Bożena Meske und Krystyna Götz - Vorstandsmitglieder der Europa Union Kassel, Maria Eichner - Fachberaterin für Geschichte im Auftrag des Staatlichen Schulamtes Kassel, Agnieszka Piórkowska - Leiterin des Referats Bildungsprojekte im ECS, Dr. Mirosława, Cichocka - Verband „ warto być sprawiedliwym“
Der Workshop „Geschichte im Dialog” für interessierte deutsche und polnische GeschichtslehrerInnen findet im Europäischen Solidarność Centrum in Danzig statt. In Danzig - in der Stadt der Freiheit und Solidarität - hat Polen in den 80er Jahren europäische Geschichte geschrieben. Ein idealer Standort, an dem man gemeinsam über dialogische Erinnerungskulturen im europäischen Kontext nachdenken und diskutieren sollte. Die Konzeption dieses Workshops basiert auf vier Säulen:
ad 1) Im Zentrum des ersten Teils steht das innovative binationale, vierbändige Geschichtslehrwerk „Europa. Unsere Geschichte“. Dieses Geschichtsbuch, das in zwei Sprachversionen vorliegt, ist sowohl mit den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer als auch mit dem Geschichtscurriculum in Polen kompatibel. Das Georg-Eckert-Institut hat den Band 4 in der Kategorie „Gesellschaft“ als das herausragendste Schulbuch des Jahres 2021ausgezeichnet. Dieses Geschichtsbuch fördert die Dialogbereitschaft bei Schülern und Lehrern.
„Zum ersten Mal wird Jugendlichen aus Polen und Deutschland eine identische Wissensgrundlage vermittelt. Über die Interpretationen können wir uns streiten, nunmehr aber auf Grundlage fundierter Kenntnisse. Das ist wichtig, denn es sind gerade Wissenslücken und fehlendes Einfühlungsvermögen gegenüber dem ‚Anderen‘, die zu Mißverständnissen und Konflikten führen.“
So weit die Einschätzung vom Prof. Robert Traba, dem jahrelangen Leiter des Zentrums für Historische Forschung Berlin der polnischen Akademie der Wissenschaften und Co-Vorsitzende des Expertenrates sowie Mitglied des sog. Steuerungsrates für das deutsch-polnische Geschichtsbuch-Projekt. Er persönlich wird die Konzeption dieses einzigartigen Geschichtsbuchs in diesem Workshop präsentieren und die binationalen Arbeitsgruppen zu ausgewählten Kapiteln begleiten. Der Perspektivwechsel bei dieser wegweisenden Geschichtsbetrachtung steht als didaktisches Prinzip im Mittelpunkt.
Weitere lesens- und sehenswerte Informationen zu diesem Geschichtsbuchprojekt finden Sie auf dieser Internetseite:https://europa-unsere-geschichte.org; erstellt und vorbildlich gepflegt vom Georg-Eckert-Institut in Braunschweig.
ad.2) Gleich am ersten Tag findet im Europäischen Solidarność Centrum, unserem Tagungsort, ein museumspädagogischer Workshop zu Thema „1989 – das Jahr der großen Änderungen“ unter der Leitung von Agnieszka Piórkowska statt. Die TeilnehmerInnen entdecken in der sechsteiligen interaktiven Ausstellung - ausgestattet mit verschieden Aufträgen - die Geschichte der freien Gewerkschaft Solidarność in Polen sowie die Geschichte der Bürgerbewegungen in anderen Staaten Mittelosteuropas. Hier erfahren sie, was Polen Europa gegeben hat. Und zwar vom Streiksommer 1980 bis zu halbfreien Wahlen 1989.
Der Besuch des 2017 eröffneten Museums des II. Weltkrieges ist eine hervorragende Ergänzung zu den Modulen, die das Geschichtsbuch „Europa. Unsere Geschichte“ betreffen. Der Ideengeber und und Gründungsdirektor des Museums, Paweł Machcewicz ( sein Buch „Der umkämpfte Krieg“ ist 2018 auf Deutsch erschienen) war bemüht die schwierige Geschichte als „Pluralistischen Raum des Dialogs“ wiederherzustellen. Inwieweit ihm das gelungen ist, soll in einem ebenfalls museumspädagogischen Workshop mit verteilten Rollen nachgespürt werden. Die Impulsgeber sind die beiden erfahrenen. Fortbildner: Piotr Zubowicz und Małgorzata Chachaj.
ad 3) Die geplanten Gespräche mit Zeitzeugen der Solidarność-Bewegung, der seinerzeit fast 12 Millionen Polen angehört haben, sind ein besonders wertvoller Beitrag für die Entwicklung und Pflege einer dialogischen Erinnerungskultur. Diesen Teil hat Frau Dr. Mirosława Cichocka vorbereitet. Es ist ihr gelungen zwei Autoren der 21 Forderungen während des Streiks im August 1980 zu gewinnen: Lech Norbert Kosiak und Maciej Grzywaczewski.
ad 4) Damit aus diesem Workshop weitere Schulkontakte auf der Schülerebene entstehen können, wird es die Möglichkeit geben mit Vertretern des Deutsch-Polnischen Jugendwerks über organisatorische und inhaltliche Aspekte zu besprechen. Eine sog. Kontaktbörse soll den Zugang zu den praktischen Aspekten des Jugendaustausches ermöglichen. Für die Sprachmittlung stehen in allen Phasen des Workshops DolmetscherInnen zur Verfügung.
Gestern wäre Wladyslaw Bartoszewski 100 Jahr alt geworden. Ein guter Grund, um sich an den leidenschaftlichsten Brückenbauer in der schwierigen deutsch-polnischen Aussöhnung zu erinnern.
In dem lesenswerten Beitrag des Deutschlandfunk wird der Lebensweg einer großen Persönlichkeit nachgezeichnet, die in beiden totilitäaren Regimen im 20. Jhd in unbeirrter Weise um Anstand gerungen hat. Ganz gleich ob als Häftling, als Untergrundkämpfer, Mitbegründer von Zegota, Wissenschaftler, Professor, Botschafter, Außenminister vetrat er stets die Devise: "Es lohnt sich anständig zu sein"
Im Jahre 2008 wurde er mit dem Kasseler Bürgerpreis "Glas der Vernunft" geehrt.
Weitere Informationen beim Deutschlandfunk.
Mitglieder und Freunde der Kasseler Europa-Union reisten vom 1. bis 6. Oktober 2022 nach Danzig, um das Zentrum der Freiheitsbewegung in Polen kennenzulernen, welche schließlich auch zum Einsturz der Mauer in Berlin/Deutschland/Europa führte. Die Reise fiel in die Deutsche Woche, die Cornelia Pieper, die Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Danzig, organisiert hatte – anlässlich der 30-Jahre-Jubiläen der Deutschland-Polen Gesellschaft in Danzig und dem Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag.
Im supermodernen Solidarność-Centrum (ECS) vor den Toren der früheren Lenin-Werft informierte uns Krzysztof Kosela, ein zertifizierter ECS-Führer, am Samstag über den Kampf der Werftarbeiter für mehr Lohn unter Führung von Lech Wałęsa. Drei Denkmal-Säulen vor dem Museum erinnern daran, dass die polnische Miliz 1970 in die streikenden Werftarbeiter auf der Straße schoss und dabei 41 ihr Leben verloren. Der Auslöser des Streiks 1980 war die Forderung nach Wiedereinstellung einer entlassenen Mitarbeiterin, Anna Walentynowicz. Wie der 10-jährige Kampf bis zur Anerkennung als Arbeitervertretung ablief, zeigen die vielen Bilder und Filme im Museum.
Beim Eingang auf das Gelände des ECS ist auf einer Empfangstafel zu lesen: „Hier beginnt Europa“
Im Anschluss an den Museumsgang hatte unsere Gruppe eine Diskussionsrunde mit dem stellvertretenden Direktor des ECS, Dr. Jacek Kołtan, in der es u.a. um die Finanzierung ging, da die PiS-Regierung alle Mittel gestrichen hat und die heutige Solidarność-Gewerkschaft nichts mehr mit dem Projekt zu tun haben will. Lech Wałęsa ist auch aus der Gewerkschaft ausgetreten. Europäische Mittel gab es für einzelne Projekte – aber keine dauerhafte Förderung.
Am Samstag-Abend war der große Empfang zum 30. Geburtstag der Deutschland-Polen Gesellschaft in Danzig – ebenfalls im großen Hörsaal des ECS – zu dem die Vorsitzende dieser Gesellschaft, Jolanta Murawska, eingeladen hatte. Sie war es, die uns auf die Deutsche Woche aufmerksam gemacht hatte. Nicht nur wir, sondern auch die Europa-Union Brandenburg war eingeladen, die mit uns in Berlin in den Zug eingestiegen war. Außerdem waren viele Bremer dabei, die bereits seit 45 Jahren eine Partnerschaft mit Danzig pflegen. Nach vielen ausführlichen Glückwunschreden etlicher Honoratioren, die Cornelia Pieper in Polnisch und Deutsch beantwortete, kam ihr Geschenk zur Geltung: die Rock-Show nach Pink Floyds "The Wall". Eine junge Musiker-Gruppe mit zwei großen Mädchen-Chören aus Bydgoszcz (Bromberg) unter Leitung des dortigen Honorarkonsuls Jaroslaw Kuropatwiński hielten uns alle mit fetzigen Melodien in Atem, die zu den Filmprojektionen auf der Bühnenleinwand den polnischen Freiheitskampf bis zum Fall der Berliner Mauer künstlerisch aufarbeiteten.
Anschließend konnten wir uns bei Fingerfood und Wein aus dem Bremer Ratskeller über dieses Ereignis austauschen – und unser Vorsitzender möchte diese Rock-Show zur nächsten EBB ins Kasseler Staatstheater holen!
Der Sonntag zeigte uns bei herrlichstem Sonnenschein das alte Danzig in seiner ganzen Pracht! Die Stadtführung ging über Hohes Tor, Langgasse, Rathaus der Rechtstadt, Artushof, zum Neptunbrunnen, die Giebelhäuser am Langen Markt, das weltberühmte Krantor an der Langen Brücke an der Mottlau, – der größte Hafenkran des Mittelalters, der Kohlenmarkt, die St. Marienkirche – eine der größten Sakralbauten der Welt; hier ist der 2019 ermordete Bürgermeister Paweł Adamowicz beigesetzt worden. Hier hängt auch die Kopie des weltberühmten Gemäldes „Das letzte Gericht“ von Hans Memmling, die Astronomische Uhr von Hans Düring. Die 1000-jährige Stadt Danzig glich nach dem Zweiten Weltkrieg einem Ruinenfeld: Nach der Bombardierung der Stadt durch englische (1942) und amerikanische (1944) Bomberstaffeln wurde die Innenstadt 1945 bei der Einnahme durch die Rote Armee großflächig zerstört. Die Polen haben kurz nach dem Krieg mit dem Wiederaufbau begonnen. Das und vielmehr hat uns Krzysztof Kosela auf dem Rundgang gezeigt und berichtet. Krzysztof Kosela, unser Begleiter im ECS und während des Rundgangs durch die Altstadt betonte in einer kleinen Runde, er sei ein echter Danziger: die Mutter war eine Deutsche, der Vater ein Pole. Die Familie väterlicherseits ist in das KZt Sztutowo (Sutthoff) umgekommen. Deutsch hat er von seiner Mutter gelernt. Zuhause nach 1945 war Polnisch die Familiensprache geworden. Lange Zeit war er nicht imstande Sztutowo zu besuchen. Erst vor kurzem hat er die Kraft dazu aufgebracht.
Zur Besichtigungs-Auswahl stand auch das supermoderne und interaktive Museum des Zweiten Weltkrieg, wo ebenfalls die PiS-Regierung in die Leitung eingegriffen hatte, weil es nicht national genug gestaltet sei. Paweł Mateusz Machcewicz, Historiker und Gründungsdirektor des Museums, ist 2017 von dem zuständigen Minister der PiS-Regierung entlassen worden.
Abends wurde die Lesung "Die Rättin" von Günter Grass im Shakespeare-Theater angeboten. Das Shakespeare-Theater ist ein neu errichtetes Gebäude, im Stil einer Fechtschule, in der sich das Shakespeare-Theater im 17. Jh. befand - und innen ist es ganz im Stil des Londoner Globe-Theater total in Holz gestaltet, was man auch erfrischend riecht. Die Lesung hielt mit bewundernswerter Gestik Michael Mende, ein deutscher Schauspieler, begleitet von einer Sängerin vor farbensprühender Leinwand.
Am Montag führte uns die Kuratorin Maria Sasin durch die Ausstellung "Grassomania" in der Grass-Galerie im Stadtmuseum. Günter Grass ist gebürtiger Kaschube und hat bis 1944 in Danzig-Langfuhr gelebt - daher hier sehr präsent! 1993 wurde Günter Grass zum Ehrenbürger der Stadt Danzig ernannt.
Abends hat Generalkonsulin Cornelia Pieper wieder zu einem Festakt in die Ostsee-Philharmonie eingeladen anlässlich des „Tag der Deutschen Einheit“ und 45. Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Danzig und Bremen. Der äußerlich sehr schöne, traditionelle Philharmonie-Bau liegt auf der nördlichsten Motlawa-Insel und ist innen modern mit guter Akustik gestaltet. Zum Festkonzert war extra das die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen angereist und spielte Stücke u.a. von Lutoslawski und van Beethoven. Danach großer Empfang im benachbarten Hotel Gdańsk, wo sonst auch die Oktoberfeste gefeiert werden. Hier gab es wieder viele Gelegenheiten zu Gesprächen und neuen Kontakten.
Dienstag – unser letzter Tag – führte uns in die Hafenstadt Gdynia. Diese war 1920 – nach der Rückkehr Polens auf die Europäische Landkarte nach 123 Jahren – auf grünen Feldern neu gebaut worden, weil Polen einen eigenen Hafen brauchte. Der Zugang der Polen zu Danzig als „freie Stadt“ gestaltete sich schwierig, denn Danzig war damals zu 90 % von Deutschen bewohnt, die das „Unrecht von Versailles“ nicht akzeptieren wollten. Gdynia war für das wiedergeborene Polen ein „Fenster zur Welt“ und ein Symbol für den Gestaltungswillen eines modernen urbanen Ortes.
Die Leiterin des Fachbereichs Zeitgeschichte an der Danziger Universität, Prof. Dr. Anna Mazurkiewicz – ebenfalls Kaschubin – führte uns durch die supermoderne, aufsprießende Stadt mit vielen Neubauten - teilweise im Bauhausstil. Sehr viele europäische Firmen haben hier ihre Niederlassungen, weil sie so dicht am Hafen sind. Ein weiteres Ziel hier war das 3600 Quadratmeter große interaktive Migrationsmuseum, das sich im ehemaligen Meeresbahnhof des Überseehafens befindet – von dort fuhren die Auswanderer weg. Inhaltlich ähnlich dem Auswanderungsmuseum in Bremerhaven – nur ist der Schwerpunkt das 19. und 20. Jahrhundert, wo hier die großen Auswanderungswellen stattfanden, während in Bremerhaven es etwa 200 Jahre früher mit der Einwanderung nach Nordamerika begann.
Mit einem gemeinsamen Abendessen wurden die sehr informativen Tage in Danzig abgeschlossen – zu deren Organisation insbesondere Bożena Meske und Krystyna Götz entscheidend beigetragen haben.
Weitere Bilder, Videos und Eindrücke gibt es auf unserer Facebook- und Instragram-Seite.
Dieter Clauß, Bożena Meske und Krystyna Götz
30 Jahre Deutsch-Polnischer Nachbarschaftsvertrag
5 Jahre Deutsch-Polnisches Bürgerforum in der Europa Union Kassel e.V.
Am 17. Juni 1991 haben Bundeskanzler Helmut Kohl und Polens Staatschef Krzysztof Bielecki den „Vertag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ in Warschau unterzeichnet. Ein Meilenstein in der schwierigen Deutsch-Polnischen Beziehungsgeschichte seit dem II. Weltkrieg. In den 38 Artikeln des Nachbarschaftsvertrages wurde beschrieben, wie sich die Zusammenarbeit auf politischer, wirtschaftlicher, zivilgesellschaftlicher, kultureller und militärischer Ebene entwickeln soll.
Uns bewegen heute diese Fragen:
Wie hat sich die polnische Gesellschaft in diesen 30 Jahren verändert? Welche Rolle spielt dabei die Versöhnung mit Deutschland und welche Rolle spielt Europa?
Es gibt auch einen lokalen Grund für einen Rückblick:
Vor fünf Jahren haben wir im Kasseler Bürgersaal während der Gedenkveranstaltung anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages das Deutsch-Polnisches Bürgerforum in der Europa Union Kassel e. V. ins Leben gerufen.
An diese beiden erbaulichen Jahrestage möchten wir uns mit Ihnen gemeinsam erinnern und Sie sehr herzlich zu dieser Veranstaltung einladen:
Wie schwer wiegen Worte? Oder: Polen im Wandel.
30 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvortrag
Vortrag und Lesung mit Dr. Matthias Kneip
am 24. Juni 2021 um 18.00-19.30 online per Zoom (Zugangsdaten folgen)
Dr. Matthias Kneip ist Buchautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. Er hat uns bei der Gründungsveranstaltung des Deutsch-Polnischen Bürgerforums im Kasseler Rathaus vor fünf Jahren unterstützt und in der Folgezeit mit seiner wissenschaftlichen, literarischen und landeskundlichen Kompetenz begleitet.
Wir freuen uns über Ihr Interesse. Werben Sie gern für diese wichtige Veranstaltung in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Wir erwarten Sie.
Teilnahme via Zoom (hier klicken) oder:
Meeting-ID: 971 1095 2515
Kenncode: 590256
Seit 2015 besteht innerhalb der Europa-Union Kassel das Deutsch-polnische Bürgerforum. Das Team um Dr. Sebastian Pietrzak, Krystyna Götz und Bożena Meske stellen sich und ihre Arbeit in einer zwölfseitigen Broschüre vor. Dort erfahren Sie mehr über die Ziele, Partner, Aktivitäten des Bürgerforums, über die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen, ein deutsch-polnisches Geschichtsbuch und Leseempfehlungen.
Hier können Sie die Broschüre herunterladen.
Eine gemeinsame Solidaritätsbekundung mit Belarus
Belarus geht uns ALLE an!
Allen voran, uns Europäerinnen und Europäer.
Seit einem halben Jahr findet im ganzen Land ein unermüdlicher Kampf für freie Wahlen, Meinungsfreiheit und Menschenwürde statt. Nach der gefälschten Präsidentschaftswahl am 9. August 2020 reißen die Proteste der belarussischen Bevölkerung nicht ab. Weder die EU noch die Ukraine erkennen das manipulierte Wahlergebnis an.
Wir folgen daher nur zu gern dem Aufruf der oppositionellen Präsidentschaftskandidatin, Svetlana Tichanovskaja, zum Internationalen Tag der Solidarität mit Belarus.
Wir haben großen Respekt vor den Belarussinnen und Belarussen, die so friedlich und couragiert, Woche für Woche, für die Demokratie auf die Straße gehen. Wohlwissend, dass sie verprügelt, gefoltert, verhaftet oder gar des Landes verwiesen werden können. Wir sind entsetzt und fassungslos darüber, dass dies in Europa möglich ist. Es macht uns betroffen, zusehen zu müssen, dass der Freiheitsdrang des belarussischen Volkes mit brutaler Gewalt zerschlagen werden soll. Umso mehr beeindruckt es uns, wenn Familien sogar mit Ihren Kindern an Demonstrationen teilnehmen, weil sie die Hoffnung an einen friedfertigen Sieg der Demokratie nicht aufgegeben wollen.
Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn in einem europäischen Land friedliche Demonstranten, Regimekritiker und Oppositionelle gefoltert werden. Viele Aktivisten der Zivilgesellschaft wie Maria Kolesnikowa sitzen im Gefängnis unter dem Regime von Aleksander Lukaschenko.
Sie alle verdienen unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit und unsere ungebrochene Solidarität.
Belarus gehört zu Europa und verdient –heute mehr denn je- unser besonderes Interesse, wie jedes andere west-europäische Land. Nur so kann Europa zusammenwachsen.
"Warum schweigt Ihr? Wir hören nur seltene Stimmen der Unterstützung (...) Warum schweigt Ihr, wenn Ihr seht, dass ein kleines stolzes Volk getreten wird? Wir sind doch Eure Brüder.“ So klingt der Appel der belarussischen Literaturnobelpreisträgerin Svetlana Aleksijevitsch an Intellektuelle in Russland. Diese Worte gelten in gewisser Weise auch uns zur Mahnung. Wir dürfen nicht schweigen.
Wir rufen daher jede und jeden dazu auf, ein Zeichen der Unterstützung für die demokratische Bewegung in Belarus zu setzen:
Wir verweisen außerdem auf die informative Internetseite rasam.de.
RAZAM e.V. („gemeinsam“) ist eine belarussische Gemeinschaft mit dem Sitz in Berlin, die aus der länderübergreifenden Solidaritätsbewegung des Sommers 2020 hervorgegangen ist. Sie unterstützt die Menschen in Belarus bei ihrem Streben nach freien Wahlen und einem Ende der staatlichen Gewalt. Hier findest Du Informationen zu aktuellen Aktionen, Ausstellungen und zur Geschichte von Belarus.
Vor 50 Jahren: Als Bundeskanzler Willy Brandt an einem grauen Dezembertag des Jahres 1970 nach Warschau reist, beginnt eine neue Zeit. Symbolisch durch seinen Kniefall vor dem Denkmal für die Helden des Ghettos, eine Geste der Sühne und der Anerkennung polnischen Leids im Zweiten Weltkrieg. Und faktisch durch die Unterzeichnung des Warschauer Vertrags, mit dem die Volksrepublik Polen und die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen aufnehmen.
Es folgen Jahre der vorsichtigen Annäherung, des beginnenden Brückenbaus zwischen zwei Staaten, die sich seit dem Krieg nur wenig kennengelernt hatten: Die Gesellschaften lernen sich zu vertragen. Mehr in der Online-Ausstellung des Deutschen Polen-Instituts.
von Bożena Meske
Eigentlich wäre das Kasseler Team der Europa Union im September voller Vorfreude voll im Einsatz: die 2. Europäische Bürgerbegegnung stände vor der Tür. Sie war in monatelanger Vorarbeit für den 17. bis 20. September geplant worden, musste allerdings aus epidemiologischen Gründen für dieses Jahr abgesagt werden. Doch „aufgeschoben heißt nicht aufgehoben“ und damit ein weiterer Anlauf tatsächlich Chancen auf Umsetzung hat, hieß es, für die Pflege der im Rahmen der Vorbereitungen geknüpften Beziehungen zu Sorgen. Dazu bot das jährlich in Danzig stattfindende Vilnius-Festival beste Gelegenheit.
Auf Einladung der Referentin für Auslandskontakte in der Stadtverwaltung machte sich ein Team der Europa-Union Kassel auf den Weg. Das Programm war intensiv, abwechslungsreich und sehr interessant. Es gab ein Besuch im II. Allgemeinbildenden Lyzeum in Sopot, wo eine große Bereitschaft zu einem Schüleraustausch signalisiert wurde. Inzwischen ist eine Kooperation mit einer der Kasseler Schulen in die Wege geleitet worden. Die Eröffnungsfeier des Festivals schuf einen Rahmen für ein Treffen mit der Abgeordneten des Europaparlamentes, Magdalena Adamowicz. Am Abend empfing uns der stellvertretende Danziger Bürgermeister, mit dem wir die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten konnten. Der zweite Tag der Reise begann mit einem Besuch im Europäischen Solidarność Zentrum und einem ausführlichen Gespräch mit Dr. Grzegorz Piotrowski, einem der Mitarbeiter der Wissenschaftsabteilung. Im Anschluss erläuterte uns Monika Popow von der Metropolregion Gdańsk Gdynia Sopot das Danziger Integrationsmodell, ein interdisziplinär und im Zuge eines deliberativen Prozesses erarbeitetes Konzept der Integration von Migranten. Den letzten Punkt bildete eine Begegnung mit Vertretern der Rechtsanwaltskammer und ein Austausch zum Thema Rechtsstaatlichkeit. Dabei ist klar geworden, dass Danzig den Anspruch hat, eine Brücke zwischen Ost und West zu sein und diese Vision auf unterschiedlichen Ebenen tatsächlich umsetzt. Jetzt hoffen wir, diese Kontakte weiter mit Leben füllen zu können, z.B. im Rahmen der für den Mai 2021 geplanten Studienreise.
Foto 1: Empfang des Danziger Bürgermeisters
Foto 2: Unsere drei Europäerinnen: Caroll Hogg, Prof. Dr. Hermann Heußner und Bozena Meske
Foto 3: Festivalgelände Vilniustage
Foto 4: Zweites Berufsbildendes Lyzeum Sopot mit Schuleiter Gan und Englischlehrerein Wielgosz
Foto 5: Pause an der Ostsee
Foto 6: Statur des ehemaligen polnischen Außenministers Władysław Bartoszewski
Götz, Krystyna (2020): Impulse für einen pro-europäischen Geschichtsunterricht an Schulen in Europa, In: VDLiA, 67. Jahrgang, Heft 3, S. 181-185.
Wie aus der ifa-Studie zur Neuausrichtung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) hervorgeht, muss der heutige Geschichtsunterricht an den Schulen Europas schleunigst multiperspektivisch, transnational ausgerichtet werden. Nur so können die jungen Europäerinnen für einen transnationalen Umgang mit nationalen Geschichten sensibilisiert werden. „Es ist gut, wenn wir Erinnerungen austauschen und erfahren, was die anderen von unseren Geschichten denken“ (Konrad, in: Assmann 2018, S. 138). Nur so kann eine dialogische Erinnerungskultur sowie ein europäisches Geschichtsbewusstsein entstehen. Ein europäisches Geschichtsbewusstsein ist die tragfähige Grundlage für eine aufgeklärte europäische Identität, ohne welche das Projekt Europa nicht von Dauer sein kann. Ein breites, differenziertes Wissen über den jeweils anderen macht die Vielgestaltigkeit Europas deutlich und schärft den Blick für die unterschiedlichen Erinnerungskulturen, jenseits der nationalen, oft zu eng gefassten Geschichte.
Bürgerbegegnung in Workshops
Diese Botschaft den Teilnehmern zu vermitteln, war das vordringliche Anliegen des Workshops „Europäisches Geschichtsbewusstsein“. Er fand im November 2018 im Rahmen der Ersten Europäischen Bürgerbegegnung (1. EBB) in Kassel statt.
Die Georg-August-Zinn-Schule – die erste Europaschule in Kassel – bot für diesen Workshop den idealen Rahmen; sie zeigte sich ausgesprochen kooperativ, weltoffen und gastfreundlich.
Zwei binationale Geschichtslehrwerke, ein deutsch-französisches und ein deutschpolnisches, wurden präsentiert, welche die Schülerinnen zum Perspektivenwechsel anregen und das gegenseitige Verstehen fördern sollten. In diesen Lehrwerken werden Europa und das jeweilige Nachbarland sowie das eigene Land historisch neu entdeckt und vermessen.
Das Interesse an dem Thema Europäisches Geschichtsbewusstsein war unerwartet groß: 41 Teilnehmer aus drei Ländern – Deutschland, Polen und Frankreich; drei Generatio-nen haben sich zwei Tage lang intensiv mit den beiden europäischen Geschichtslehrwerken beschäftigt.
Den Auftakt für den Workshop „Europäisches Geschichtsbewusstsein“ bot ein engagierter Vortrag des Schulleiters der Georg- August-Zinn-Schule, Mathias Koch, über das pädagogische Konzept der Georg-August- Zinn-Schule, an der Schülerinnen und Schüler aus 30 Nationen unterrichtet und erfolgreich in die bundesdeutsche Gesellschaft integriert werden.
Beiträge zu einem europäischen
Geschichtsbewusstsein Im Zentrum des Workshops standen zwei sehr aufschlussreiche Beiträge von Martin Wicke und Dominik Pick.
Martin Wicke, ein auslandserfahrener Geschichtslehrer (ehemals Deutsche Schule San José, Costa Rica) von dem Landrat-Lukas-Gymnasium in Leverkusen stellte das deutsch-französische Geschichtsbuch Historie/ Geschichte – Europa und die Welt, an dessen Erstellung er beteiligt war. Interessant waren sowohl seine Erfahrungen als Ko-Autor, als auch seine Unterrichtserfahrung mit diesem Lehrwerk in Deutschland und an der Deutschen Schule in Costa Rica. Mit dem dreibändigen grenzüberschreitenden Geschichtsbuch wurde Neuland betreten:
„Das Buch ist keine Darstellung der deutsch-französischen Geschichte, sondern ein deutsch-französisches Geschichtsbuch, das bei aller Übereinstimmung mit den in beiden Ländern geltenden Lehrplänen bestrebt ist, über diese durch eine völlig neue Art der Darstellung, der Dokumentation und der Interpretation hinauszugehen, sie macht eine Geschichtsbetrachtung aus der Sicht des anderen erst möglich.“ (Le Quintrec, Geiss [Hg.] 2006, S. 6)
Der Weg zur Weltpremiere war sicherlich schwierig: 16 Lehrpläne aller Bundesländer und den Lehrplan des französischen Bildungsministeriums unter einen Hut zu bringen grenzt an ein Wunder.
Dominik Pick – wissenschaftlicher Mitarbeiter des Historischen Forschungszentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin – präsentierte die komplexen Entstehungsetappen des deutsch-polnischen Projekts, das seit 2016 erscheinenden Geschichtsbuch Europa. Unsere Geschichte. Der Referent machte u. a. darauf aufmerksam, dass dieses deutsch-polnische Projekt ein gesamteuropäisches Geschichtsbild vermitteln möchte mit der besonderen Berücksichtigung
Ost-Mitteleuropas, welches bislang in den westlichen Geschichtsbüchern zu kurz geraten ist. Angesichts der aktuell sichtbaren Ost-West-Spaltung Europas ist dieses Lehrwerk gewissermaßen eine Art Osterweiterung des europäischen Geschichtsbewusstseins und somit ein angemessenes Instrumentarium, um solche Risse im EU-Gefüge zu mildern. Hier sei zur Verdeutlichung die Position des Steuerungsrates des deutschpolnischen Projekts „Schulbuch Geschichte“, die im Vorwort zum zweiten Band des Lehrwerks zu lesen ist, angeführt:
„Das Projekt eines von Deutschen und Polen gemeinsam erarbeiteten Schulbuchs zur europäischen Geschichte setzt einen Dialog fort, den Historiker, Geographen und Geschichtsdidaktiker beider Länder seit Jahrzehnten führen – besonders im
Rahmen der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission. Die Erarbeitung eines eigenen Konzepts für ein Schulbuch zur europäischen Geschichte, das in deutschen, wie in polnischen Schulen als Lehrwerk eingesetzt werden kann, stellte eine
sinnvolle Weiterentwicklung dieser Arbeit dar.“ (A. Brückmann u.a. 2017, S. 3)
Die beiden vorgestellten Geschichtslehrwerke sind in jeweils beiden Sprachen erschienen. Sie sind auf den problemorientierten Umgang mit der Geschichte ausgerichtet, sensibilisieren für den überfälligen Perspektivenwechsel und fördern somit das gegenseitige Verständnis und die notwendige Empathie auf Augenhöhe und nicht nur aus einer einseitigen Perspektive. Die unterschiedlichen Erinnerungskulturen zu denselben Ereignissen werden hier deutlich gemacht und geübt. Das neuere, deutschpolnische Projekt hat zudem die Kompetenzorientierung in jedem Kapitel zum didaktisch-methodischen Prinzip erklärt. Beide Schulbücher sind von der Kultusministerkonferenz als zugelassene Lehrwerke freigegeben. Die polnische Ministerin für Nationale Bildung hat die ersten zwei Bände kürzlich in der europäischen Jugendbegegnungsstätte in Kreisau vorgestellt.
Das Museum als Lernort
Ein Modul des Workshops fand im Stadtmuseum Kassel statt. Der ehemalige Museumsdirektor, Karl-Hermann Wegner verstand es, die vielfältigen und vielschichtigen europäischen Bezüge der Stadt Kassel in allen Epochen den interessierten Teilnehmern lebendig nahezubringen. Für die Gäste aus Polen und Frankreich war dieser Rundgang besonders eindrucksvoll.
Eine zusätzliche Attraktion boten das Francemobil und das Polenmobil, die auf dem Schulhof parkten und mit interessanten, aktivierenden Materialien für den Französisch- und Polnischunterricht den Schülern und Lehrern zur Verfügung standen.
Als Ergänzung zum Thema „Europäische Geschichte“ wurden den Teilnehmern weitere neue Informationsquellen angeboten, wie z. B. der Hinweis auf das 2017 in Brüssel eröffnete Haus der Europäischen Geschichte https://historia-europa.ep.eu/de/allgemeineinformation. In diesem Zusammenhang ist auch die 2018 erschienene 4. Auflage des Europäischen Geschichtsbuchs. Von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert kurz vorgestellt worden, verfasst von15 Autoren aus 13 Ländern.
Als Schlussfolgerung des zweitägigen Workshops wurden von den Teilnehmern vor allem folgende Probleme benannt:
So erfreulich es ist, dass es diese ausgezeichneten zeitgemäßen, europäisch ausgerichteten Lehrwerke seit einigen Jahre schon gibt, um so bedauerlicher ist es, dass sie in den Schulen so gut wie nicht verwendet werden. Oft sind sie in den Archiven der Schulbibliotheken zu finden. Dies bedauerten auch die beiden Referenten.
Das Fach Europäische Geschichte müsste in allen europäischen Schulen zum Hauptfach erklärt werden, meinten einige Teilnehmer, aber in der Stundentafel fehlen dafür die Stunden.
Allen voran sollte der Einsatz der europäischen Geschichtsbücher an den Europaschulen in Deutschland und an den PASCHSchulen in Europa zur bildungspolitischen Priorität erklärt werden.
Ein „europäisches Geschichtsportfolio“ – nach dem Vorbild des „Europäischen Sprachenportfolio“ – könnte einen zusätzlichen Impuls bedeuten, um den nicht zeitgemäßen, national eingeengten Geschichtsunterricht endlich zu überwinden.
Eine weitere wichtige Möglichkeit des Einsatzes: die zweisprachigen Geschichtswerke sind geradezu ideale Materialien für den fächerübergreifenden Fremdsprachunterricht wie auch für den bilingualen Geschichtsunterricht.
Allerdings scheint der Gestaltungswille der verantwortlichen Schulbehörden, Bildungsgremien und Medien in diesem Bereich bislang nur sehr verhalten und kaum wahrnehmbar.
Die beiden europäischen binationalen Geschichtsprojekte warten auf ihren flächendeckenden Einsatz im Geschichtsunterricht sowohl an den Schulen in Deutschland als auch in Frankreich und Polen.
Ein bildungspolitisches Modell als Vision für die Zukunft
Ergänzend sei noch auf die bedeutsame bildungspolitische Dimension dieser beiden binationalen Schulbuchprojekte im vereinten Europa verwiesen.
Die beiden binationalen Lehrwerkprojekte sind hinsichtlich ihrer integrativen Wirkung im europäischen Kontext von herausragender Bedeutung. Die drei Länder, Deutschland, Frankreich und Polen, mussten eine besondere Kooperationsbereitschaft unter Beweis stellen: in der inhaltlichen Zusammenarbeit zwischen den Historikern und Didaktikern, bei der Kooperation zwischen den Ministerien der drei Länder und nicht zuletzt in den kleinschrittigen Absprachen der beteiligten Verlage bezüglich des Umbruchs sowie der gesamten Ikonografie – Grafiken, Karten, Fotos, Illustrationen – in der deutschen, französischen und polnischen Fassung. Eine solche Verzahnung kann nur funktionieren, wenn bei allen Partnern eine auf Vertrauen und Partnerschaftlichkeit basierende Dialogbereitschaft vorhanden ist.
Wer aber gab den Anstoß zur Entstehung der beiden europäischen Geschichtsbücher?
Im Fall des deutsch-französischen Projekts kam der Anstoß seitens des Deutsch-Französischen Jugendparlaments anlässlich der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Elysée- Vertrages 2003 in Berlin. Der politische Wille dieses Projekt zu unterstützen war in beiden Ländern spontan vorhanden. Die deutsch-französische Projektgruppe hat im Jahr 2004 ihre Arbeit aufgenommen. 2008 ist der erste Band des Lehrwerks Histoire/ Geschichte. Europa und die Welt von insgesamt
drei Bänden erschienen. Heute stehen alle drei Bände in zwei, inhaltlich identischen Sprachfassungen den Schulen in beiden Nachbarländern zur Verfügung.
Das deutsch- polnische Schulbuchprojekt regte bereits 2006 der damals amtierende Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier an. Ein Jahr später griffen die Außenminister Deutschlands und Polens die Idee auf und beauftragten die Deutsch-Polnische Schulbuchkommission ein solches Konzept zu entwickeln. Offiziell hat die deutsch-polnische Projektgruppe bestehend aus wissenschaftlichen und politischen Akteuren im Mai 2008 ihre Arbeit aufgenommen. Seit 2012 arbeiten die Autoren mit einem deutsch-polnischen Verlagstandem zusammen. Im Juni 2016 stellten die beiden Außenminister den ersten Band des Lehrwerks Europa. Unsere Geschichte auf Polnisch und Deutsch der Öffentlichkeit vor. Ein Jahr später ist der zweite Band erschienen. 2019 konnte der dritte Band – vom Wiener Kongress bis zum Ersten Weltkrieg fertiggestellt werden. Im Jahr 2020 wurde der vierte und letzte Band 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart zur Verfügung gestellt.
Diese beiden Geschichtsbuch-Projekte sind letztlich die Früchte einer jahrzehntelangen, mitunter schmerzhaften, aber erfolgreichen Aussöhnungspolitik zwischen Deutschland und Frankreich sowie Deutschland und Polen.
Mit diesen beiden europäisch ausgerichteten Geschichtslehrwerken verfügen wir nun über die entsprechenden und sehr attraktiven Instrumente, um dialogisches Erinnern in den Schulen aufbauen zu können. Ohne die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel – so Aleida Assmann in Ihrem Buch Der europäische Traum ist eine europäische Integration kaum zu erreichen:
„Offensichtlich kann die europäische Integration nicht wirklich fortschreiten, solang sich die monologischen Gedächtniskonstruktionen weiter verfestigen. Integration und Friedenssicherung erfordern dagegen ein dialogisches Erinnern. … Die Konstellation der Europäischen Union bietet einen einmaligen Rahmen für den Umbau von monologischen in dialogische Gedächtniskonstruktionen.“ (Assmann 2018, S. 134)
Angesichts dieser Erkenntnis bleibt es unverständlich, weshalb diese beiden transnationalen Schulbuchprojekte bislang in allen drei Ländern ein Schattendasein fristen.
Wir alle sind dazu aufgerufen, diesen Umstand zu ändern, eben im Sinne des Mottos der Europäischen Bürgerbegegnung Europa lebt vom Mitmachen. Deshalb wird die Europa-Union Kassel in der Zweiten Europäischen Bürgerbegegnung, die wegen der Corona-Pandemie auf das Jahr 2021 verlegt werden musste, erneut den Workshop Europäisches Geschichtsbewusstsein und dialogische Erinnerungskultur anbieten. U. a. werden die 2019 und 2020 erschienenen Bände (Band 3 und 4) des deutsch-polnischen Geschichtslehrwerkes von Dominik Pick präsentiert werden.
Literatur
Ash, T. G. (2019): Ein Jahrhundert wird abgewählt. 1980–1990 Europa im Umbruch. München: Carl Hanser
Assmann, A. (2018): Der Europäische Traum. Vier Lehren aus der Geschichte. München: C. H. Beck
Delouche, F. (Hg.) (2018): Das Europäische Geschichtsbuch – Von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert. Stuttgart: Klett-Cotta
Binationale Geschichtslehrwerke:
Deutsch-Französisches Geschichtsbuch für die gymnasiale Oberstufe, 3 Bände:
– Bendick, R., Henri, D., Geiss, P. & Le Quintrec, G. (Hg.) (2018): Histoire/Geschichte. Europa von der Antike bis zum Wiener Kongress. Stuttgart, Leipzig: Klett
– Henri, D., Le Quintrec, G. & Geiss, P. (Hg.) (2018): Histoire/Geschichte. Europa und die Welt vom Wiener Kongress bis 1945. Stuttgart, Leipzig: Klett
– Le Quintrec, G. & Geiss, P. (Hg.) (2010): Histoire/Geschichte. Europa und die Welt seit 1945. Stuttgart, Leipzig: Klett
Deutsch-Polnisches Geschichtsbuch, 4 Bände:
– Brückmann, A. et al. (2016): Europa – Unsere Geschichte. Band 1. Von der Ur- und Frühgeschichte bis zum Mittelalter. Wiesbaden: Eduversum
– Brückmann, A. et al. (2017): Europa – Unsere Geschichte. Band 2. Neuzeit bis 1815. Wiesbaden: Eduversum
– Brückmann, A. et al. (2019): Europa.Unsere Geschichte. Band 3. Vom Wiener Kongress bis zum Ersten Weltkrieg. Wiesbaden: Eduversum
– Brückmann, A. et al. (2020): Europa.Unsere Geschichte. Band 4. 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Wiesbaden: Eduversum
Krystyna Götz
Die Bundeskanzlerin erinnert an das Danziger Abkommen, das vor 40 Jahren vom Gewerkschaftsführer Lech Walesa und dem Vizepremier Jagielski unterzeichnet wurde. Dadurch wurde erstmalig in einem sozialistischen Land eine Gewerkschaft zugelassen. Die Solidarnosc war viel mehr als eine Gewerkschaft. Sie war eine landesweite Bewegung. 10 Millionen Polinnen und Polen sind ihr beigetreten, um nach Demokratie, Würde und Freiheit zu streben. Fast 10 Jahre hat diese friedlicher Kampf gedauert.Verbot, Kriegsrecht, Internierungen der Anführerinnen und Anführer konnten diese Bewegung nicht mehr stoppen."Ihr Freiheitswille hat Steine ins Rollen gebracht, die letztlich die Berliner Mauer und den Eisernen Vorhang zu Fall brachten.“ - so die klingt die Würdigung von Angela Merkel heute nach 40 Jahren. Sie bezeichnet die entschlossenen Freiheitskämpfer zurecht als Europäische Freiheitshelden. Ihre Ansprache wurde gestern in voller Länge im polnischen Privatfernsehsender übertragen.
Da wir uns nicht sehen können, bedeutet es nicht, dass es uns als Lesezirkel der Polnischen Literatur in Kassel nicht gibt. Hiermit sei ein kleiner Beweis dafür geliefert.
Neulich bin ich auf eine interessante Initiative des Krakauer Goethe-Instituts gestoßen : auf die „Sonntagsgespräche“ . Die Partnerinstitution ist das Neue Theater / Theater Nowy in Krakau.
Begonnen hat die Reihe vor einer Woche. Die Pandemie produziert ANGST. Wie damit umgehen? Darüber und über Solidarität, neue Zukunftsvisionen sprach ein Krakauer Moderator mit der berühmten Filmemacherin Agnieszka Holland. Kürzlich habe ich Euch auf einen Film von ihr über Beethoven aufmerksam gemacht, den wir dann doch nicht sehen konnten. Das ist eine kleine Wiedergutmachung.
Das Gespräch mit Ihr dauert eine gute halbe Stunde auf Polnisch. ABER mit einer sehr guten schriftlichen Übersetzung. Diese Kosmopolitin macht sich angesichts der Pandemie viele Sorgen um die Menschheitsfamilie. Sie baut auf die junge Generation. Der Moderator ist hervorragend.
Dieses Gespräch ist im Modus der zurzeit üblichen Video-Koniferen gehalten. Man weiß nicht wo, sich die Kosmopolitin Agnieszka Holland gerade aufhält, in Kalifornien, in Paris oder in Warschau. Das sind Ihre drei beliebten Standorte.
Hier ist der Link zum Gespräch. Ich wünsche Euch eine gute halbe Stunde.
https://www.goethe.de/ins/pl/de/sta/kra/ver.cfm?fuseaction=events.detail&event_id=21834127
Bleibt munter und auch gesund
Herzlichst
Krystyna Götz
Die ursprünglich für den 30.5. bis 04.06.2020 geplante Bürgerreise nach Polen wurde VERSCHOBEN und wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Für alle, die sich für die aktuelle politische Situation im Nachbarland Polen interessieren, sei der informativen Beitrag von Jaroslaw Flis, der als Medien- und Journalistikprofessor an der Jagellonen Universität lehrt, empfohlen. Er befasst sich sorgfältig mit den rasenden Ereignissen in Polens Wahlmarathon und versucht die Stimmungen der kontroversen Wählerschaften in Bezug auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Polen einzufangen.
Zusammenfassung
Der amtierende Präsident, Andrzej Duda ist der Kandidat der nationalkonservativen PiS-Partei. Er ist bereits seit einem Jahr im ganzen Lande unterwegs und hat fleißig alle 300 Amtsbezike besucht.Offiziell hat der Wahlkampf aber erst jetzt begonnen.
Die drei Oppositionsparteien treten mit drei Kandidaten an: Für die liberal-konservative Bürgerplattform (PO = Platforma Obywatelska), die politische Heimat von Donald Tusk, kandidiert Małgorzata Kidawa-Blońska, für die gemäßigt konservative Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe) – Władysław Kosiniak-Kamysz, für die Linke hat sich Robert Biedroń, der Chef der Frühlingspartei, aufstellen lassen.
In diesem Kaleidoskop erscheint da noch ein weiterer Kandidat, der keiner Patrei angehört: Szymon Holownia, ein Publizist, und Journalist katholisch-aufgeklärter Orientierung.
Donald Tusk, der kürzlich scheidende EU-Ratspräsident, war DER Kandidat der Oppostionspateien. Zur großen Enttäuschung vieler seiner Anhänger hat sich Tusk jedoch entschlossen nicht für das Amt des Staatspräsidenten zu kandidieren. „Nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, nicht als Kandidat anzutreten,... Es brauche einen Kandidaten ohne Ballast unpopulärer Entscheidungen... Ich trage einen solchen Ballast“ so lautet seine Äußerung im Fernsehsender Polsat News und TVN24.
Polens direkt gewähltes Staatsoberhaupt verfügt über sehr viel Macht im Bereich der Verteidigungs- und Außenpolitik als beispielsweise der deutsche Bundespräsident. Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, die im Sejm und Senat verabschiedeten Gesetze mit einem Veto zurückzuweisen.
Nun darf man gespannt sein, wie sich die polnische Wählerschaft in den zwei Wahlgängen im Mai entscheiden wird.
Die Polen-Analyse Nummer 251 von Jarosław Flis (Jagiellonen-Universität Krakau) untersucht "Die Parteien nach den Parlamentswahlen. Die politische Szene sortiert sich neu".
Im Sommer 1980 rufen die Arbeiter der Danziger Leninwerft einen Streik gegen die staatliche Unterdrückung aus. Die zum damaligen Zeitpunkt verbotene Arbeiterbewegung führt mit Vehemenz zur ersten unabhängigen Gewerkschaft Polens, der Solidarność. Sie stellt sich dem kommunistischen Regime entgegen. Zu Wort kommen Solidarność-Anhänger und Zeitzeugen.
Die Volksrepublik Polen gehört zur Kaderschmiede der Sowjetunion. Als die polnische Bevölkerung zusehends vom kommunistischen Kurs abweicht und ihre Unzufriedenheit kundtut, beginnt ein Kräftemessen mit dem Staat. Ermutigt vom Besuch des ersten polnischen Papstes, Johannes Paul II., rufen die Arbeiter der Danziger Leninwerft im Sommer 1980 einen Streik aus. Die ARTE-Dokumentation betrachtet, wie aus dieser verbotenen Arbeiterbewegung die erste unabhängige Gewerkschaft hervorgeht und sich dem kommunistischen Regime entgegenstellt: die Solidarność. Unterstützt von der katholischen Kirche und oppositionellen Intellektuellen führt die Bewegung einen Kampf um die Rechte der wirtschaftlich gebeutelten Arbeiter. Aus Angst vor Kontrollverlust lässt die polnische Regierung ihre Bürger auf Schritt und Tritt überwachen und filmen. Solidarność hingegen sucht Hilfe bei Dokumentarfilmern und internationalen Journalisten. Im Wettstreit der Bilder prallen die Ideologien aufeinander. Selbst die Ausrufung des Kriegsrechts kann den Wandel in Polen nicht mehr aufhalten. Zu Wort kommen Solidarność-Anhänger, Kameramänner und Zeitzeugen, ebenso wie die berühmte polnische Regisseurin Agnieszka Holland oder ein damaliges Parteimitglied. Basil Kerski, der Direktor des Europäischen Solidarność-Zentrums in Danzig, erzählt aus heutiger Sicht die polnische Geschichte, die Europa für immer verändern sollte. Denn die Ereignisse vom Herbst 1989 in der DDR sind nur das fulminante Finale einer Revolution von unten, unmittelbar gekrönt vom Fall der Mauer.
Regie: Ania Szczepanska
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Herkunft: NDR
Hier geht's zur arte-Mediathek
Am Samstag, den 12. Oktober 2019, ab 9 Uhr, in der Galerie Art Supplement, Burgstraße 37a
Im Rahmen unseres Aufenthaltes in Thorn haben wir mit unserer Thorner Partnergesellschaft vereinbart, zukünftig Seminare mit europapolitischen Bezügen zu organisieren. Aufgrund kurzfristig von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit freigegebener Mittel organisieren unsere Thorner Freunde mit anderen polnischen Partnern und der Galerie Art Supplement sowie uns ein Tagesseminar am Samstag, den 12. Oktober 2019, das in der Galerie um eine Ausstellung „GNIAZDO / NEST“ Danziger und Thorner Künstler ergänzt wird.
Wir rechnen mit 10-12 polnischen Gästen aus Thorn und Danzig. Nähere Infos folgen nach Kontaktaufnahme mit mir ab etwa Mitte September. Für (nicht zwingende) Voranmeldungen sind wir dennoch dankbar, um das Catering zu organisieren. Ob am Vorabend ein kommentiertes Konzert zum Moniuszko-Gedenkjahr stattfinden kann, bei dem wir mit POLONIKA kooperieren würden, kann aufgrund der noch ausstehenden Zusage der Projektmittel nicht abschließend beurteilt werden. Es würde dann ein weiterer Rundbrief versandt werden.
Weitere Informationen: Flyer oder Facebook
In dieser Stunde vor 80 Jahren brach das Inferno über Wieluń herein, entfacht von deutschem Rassenwahn und Vernichtungswillen.
Ich danke Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern von Wieluń, dass ich an diesem Tag der Erinnerung und des Gedenkens unter Ihnen sein darf. Und ich danke Ihnen, Herr Staatspräsident, lieber Andrzej Duda, dass Sie mich eingeladen haben.
Wer die Geschichten gehört hat; wer die Bilder kennt; wer die Verwüstungen, das Elend und den Tod gesehen hat, die der deutsche Angriff auf Wieluń heute vor 80 Jahren hinterließ; wer weiß, dass hier die Spur der Gewalt und Vernichtung ihren Anfang nahm, die sich sechs Jahre lang durch Polen und ganz Europa ziehen sollte – der versteht, dass es ganz und gar nicht selbstverständlich ist, dass ein deutscher Bundespräsident heute hier vor Ihnen stehen darf.
Ich stehe vor Ihnen, den Überlebenden, den Nachfahren der Opfer, den Alten und den Jungen, den Bürgerinnen und Bürgern von Wieluń, in Dankbarkeit und in Demut.
Wieluń war ein Fanal, ein Terrorangriff der deutschen Luftwaffe und ein Vorzeichen für alles, was in den kommenden sechs Jahren folgen sollte.
Wir nennen es Krieg, weil wir um einen Begriff verlegen sind für das Grauen dieser Jahre. Wir nennen es Krieg – diesen wütenden, entfesselten Vernichtungswillen, der mehr auslöschen sollte als nur diese Stadt, ihre Bewohner und ihre Geschichte. Er sollte die polnische, die europäische Kultur ausradieren, um Platz zu schaffen für die Wahnvorstellungen eines Verbrechers.
Der Angriff auf Wieluń hatte kein anderes Ziel als die Erprobung der Mittel, die diese Zerstörung ins Werk setzen sollten. Der Zynismus der deutschen Angreifer war grenzenlos, ihr Handeln unmenschlich, die Folgen furchtbar für die Bewohner dieser Stadt.
Und dennoch: Viel zu wenige Deutsche kennen heute diesen Ort.
Viel zu wenige wissen um diese Taten.
Es ist an der Zeit, dass Wieluń und viele andere dem Erdboden gleichgemachte Städte und Dörfer Polens ihren Platz neben anderen Erinnerungsorten deutscher Verbrechen finden, neben Guernica, Lidice und Oradour, und dass wir für diese Erinnerung auch in Deutschland und in Berlin neue und angemessene Formen finden.
Wieluń muss in unseren Köpfen und in unseren Herzen sein.
Hier in Wieluń ist die polnisch-deutsche Nachbarschaft mit einem so radikalen Vernichtungswillen, mit einer solchen Gewalt zerstört worden, dass die Erinnerung daran noch heute schmerzvoll ist.
Dem Terror folgten Zerstörung, Demütigung, Erniedrigung, Verfolgung, Folter und millionenfacher Mord an polnischen Bürgern, an polnischen und europäischen Juden.
Seien Sie gewiss: Keinen Deutschen lässt diese Spur der Barbarei unberührt. Ja, auch diejenigen nicht, die die Erinnerung zurückweisen, die vor der Schmach fliehen in Ablehnung und Aggression.
Welcher Deutsche wollte auf Wieluń schauen, auf Warschau oder Palmiry, auf Auschwitz und andere Orte der Shoah, ohne Scham zu empfinden?
Es waren Deutsche, die in Polen ein Menschheitsverbrechen verübt haben. Wer behauptet, das sei vergangen und vorbei, wer erklärt, die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten über Europa sei eine Marginalie der deutschen Geschichte, der richtet sich selbst.
Diese Vergangenheit vergeht nicht. Man hat mit ihr zu tun. "Man hat mit Deutschland zu tun […] und deutscher Schuld, wenn man als Deutscher geboren ist." Wer sich auf die deutsche Geschichte berufen will, der muss auch diesen Satz Thomas Manns ertragen.
Die Vergangenheit vergeht nicht. Und unsere Verantwortung vergeht nicht. Das wissen wir.
Als deutscher Bundespräsident will ich Ihnen versichern:
Wir werden nicht vergessen.
Wir wollen und wir werden uns erinnern.
Und wir nehmen die Verantwortung an, die unsere Geschichte uns aufgibt.
Ich verneige mich vor den Opfern des Überfalls auf Wieluń.
Ich verneige mich vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft.
Und ich bitte um Vergebung.
Chylę czoła przed ofiarami ataku na Wieluń.
Chylę czoła przed polskimi ofiarami niemieckiej tyranii.
I proszę o przebaczenie.
Polen hat sich gegen den infamen Versuch seiner Auslöschung gestemmt. Es hat sich aus eigener Kraft erhoben, aus den Trümmern des Krieges und aus der Unfreiheit. Es ist zu einem freien Polen in einem freien Europa geworden, auch weil seine Menschen ihr Ziel nie aus den Augen verloren:
"Der Vater sagt, daß dort Europa liegt", schreibt Czesław Miłosz.
"An hellen Tagen ist’s zum Greifen nah,
Noch rauchend von so manchem Sturm und Krieg."
Polen hat nie aufgehört, zu diesem Europa zu gehören, von dem Miłosz erzählt. Polen war und Polen bleibt im Herzen Europas.
Deutschland wird immer dankbar dafür sein, dass es nach dem, was Deutsche den Menschen von Wieluń und Millionen Menschen auf unserem Kontinent angetan haben, wieder aufgenommen wurde in den Kreis der Europäer.
Deutschland wird immer dankbar sein für den Freiheitskampf der Polen, der den Eisernen Vorhang zerrissen und den Weg ins geeinte Europa geebnet hat.
Unrecht und erlittenes Leid können wir nicht ungeschehen machen. Wir können es auch nicht aufrechnen. Doch Polen hat Deutschland die Hand zur Versöhnung gereicht. Trotz allem.
Wir sind zutiefst dankbar für diese ausgestreckte Hand, für die Bereitschaft Polens, den Weg der Versöhnung gemeinsam zu gehen.
Der Weg der Versöhnung hat uns in ein gemeinsames, vereintes Europa geführt.
Ein Europa, erstanden aus dem Geist des Widerstands gegen Rassenwahn, Totalitarismus und Gewaltherrschaft, aus dem Geist der Freiheit, der Demokratie und des Rechts.
Ein Europa aus dem Geiste Polens.
An diesen Geist wollen wir Deutsche uns halten.
Diesen Weg der Versöhnung wollen wir bewahren.
Wir wollen ihn als gute Nachbarn Polens gemeinsam weitergehen.
2019
2018
2017
2016
Eine junge Warschauerin läuft durch ihre Stadt. In ihrer Hand hat sie eine Kamera. Was fängt sie damit ein? Die Schönheit der Altstadt? Ihre Freunde in einem der unzähligen Cafés in dieser Stadt? Ein Selfie im Park?
Das jedenfalls bekommen wir zu sehen, wenn wir auf Instagram, da bewegen sich ja viele junge Menschen, den Hashtag #Warschau eingeben. Eine Stadt im Aufbruch - jung, modern und weltoffen.
Auch Ewa Faryaszewska war eine junge Warschauerin. Auch sie lief mit einer Kamera durch die Stadt. Doch die Fotos, die sie machte, zeigten Häuserskelette, aus denen Flammen steigen. Sie zeigten ein Ruinenmeer.
Diese Fotos stammen aus den Zeiten des Warschauer Aufstands.
Als er begann, war Ewa 24 Jahre alt. Sie studierte an der Akademie der Bildenden Künste. Für Ewa wie für viele andere Warschauerinnen und Warschauer war an jenem 1. August im Jahr 1944 klar: Das ist der Moment, die Barbarei der Besatzer abzuschütteln.
Der Moment, alles zu wagen. Für ein freies Land, ein freies Polen, für eine bessere Zukunft.
Doch Ewa kämpfte nicht mit Waffen gegen die deutschen Besatzer. Sie nutzte ihre Kamera. Mit ihr dokumentierte sie das untergehende Warschau, die grenzenlose Zerstörung dieser Stadt, die sie so sehr liebte.
Meine Damen und Herren,
es ist nicht leicht, das heutige lebensfrohe Warschau, das ich auch gestern gesehen habe, mit den Bildern von Ewa Faryaszewska in Einklang zu bringen.
Oder mit den Bildern, wie ich sie auch gerade in einem kurzen Film mit meinem Kollegen gesehen habe. Dort sieht man Warschau, oder das, was davon übrig geblieben ist, nach dem Ende des Aufstands.
Die einst so schöne Stadt – zerbombt zu einer einzigen Trümmerwüste.
Diese Bilder sprengen unser menschliches Vorstellungsvermögen. Wenn man sie nicht sieht, kann man es nicht glauben. Und gerade deshalb ist es wichtig zu sehen, wozu Menschen in der Lage sind.
Wie furchtbar dieses Werk war, wird nirgendwo so deutlich wie hier, im Stadtbezirk Wola, wo heute der Puls des modernen Warschaus schlägt. Hier verübten die deutschen Besatzer ein besonders grausames Massaker an Unschuldigen.
Das Signal war überdeutlich: Warschau sollte ausgelöscht werden. Die Stadt und die Menschen, die darin lebten.
Die junge Studentin Ewa wollte das nicht zulassen. Sie wollte dazu beitragen, die Identität der Stadt und der Menschen, die hier lebten, zu bewahren. Durch ihre Fotos. Und durch die Rettung von Kulturgütern. Es kostete sie das Leben.
So wie Zehntausende andere, derer wir heute voll Trauer und Dankbarkeit gedenken.
Meine Damen und Herren,
jeder einzelne von ihnen hat durch sein Handeln damals deutlich gemacht: die deutschen Besatzer mögen uns fast alles genommen haben: Das Recht auf Bildung, auf Selbstbestimmung, auf körperliche Unversehrtheit. Aber eines konnten sie uns
nicht nehmen: unseren Willen zur Freiheit.
Warschau wurde zerstört. Aber es wurde nicht gebrochen.
Die Bürgerinnen und Bürger Polens haben dies nicht zugelassen.
Nicht die Menschen, die sich am 1. August 1944 erhoben oder die Aufständischen unterstützt haben. Und nicht die nachfolgenden Generationen, die Warschau wieder aufgebaut haben. Und jeder aufgebaute Stein war dabei ein Sieg des Lebens über das Grauen der Vergangenheit.
Es waren auch die Fotos von Ewa, die dabei geholfen haben. Sie waren ein Baustein von vielen, die die Stadt wieder zu dem gemacht haben, was sie heute ist und dank der Polinnen und Polen auch nie aufgehört hat zu sein: eine europäische Metropole im Herzen unseres Kontinents.
Meine Damen und Herren,
die Verbrechen, die vor 75 Jahren von Deutschen und in deutschem Namen dieser Stadt und ihren Bewohnern angetan wurden, sind kaum in Worte zu fassen. Das wird in diesem Museum sehr deutlich.
Und Deutschland trägt die Verantwortung für dieses Grauen.
Und diese deutsche Verantwortung betrifft nicht nur Warschau. Auch in anderen Teilen des Landes wurden Städte zerstört und ganze Dörfer ausgelöscht. Wurde die Bevölkerung vertrieben, um sogenannten „Lebensraum“ – was für ein zynisches Wort! - zu schaffen. Und zwar für Deutsche.
Die Zerstörung der Hauptstadt aber war ein besonders düsteres Kapitel dieses Krieges. Ein bewusster Schlag zur Auslöschung all dessen, was polnische Identität ausmacht.
Der heutige 1. August, jeder 1. August in den letzten 75 Jahren, beweist aber, dass dies Gott sei Dank nicht gelungen ist.
Dass ich heute hier sein darf, das berührt mich persönlich ganz besonders. Ich weiß nämlich, dass das keinesfalls selbstverständlich ist. Dir, lieber Jacek, danke ich ganz herzlich für diese Einladung, weil sie auch eine ganz besondere Geste der Freundschaft ist.
Ich bin hierhergekommen, weil ich die Toten ehren und die Familien der Toten und Verletzten, weil ich das polnische Volk um Vergebung bitten möchte.
Ich schäme mich für das, was Ihrem Land von Deutschen und in deutschem Namen angetan wurde.
Und ich schäme mich auch dafür, dass diese Schuld nach dem Krieg viel zu lange verschwiegen worden ist.
Umso bemerkenswerter, umso berührender ist, dass es oft Polen war, das nach dem Krieg die Hand zur Versöhnung ausgestreckt hat.
Etwa als die polnischen Bischöfe in einem Brief an ihre deutschen Kollegen im November 1965 den mutigen Satz schrieben: „Wir vergeben - und wir bitten um Vergebung.“ Eine beeindruckende Geste, die leider nie das Echo erhielt, das sie eigentlich verdient hatte.
Meine Damen und Herren,
nicht nur den Toten schulden wir eine ehrliche Aufarbeitung der Vergangenheit. Wir sind sie uns auch selbst schuldig, denn erst das gemeinsame Erinnern bahnt den Weg für eine gemeinsame Zukunft.
Deshalb wollen wir etwas dagegen tun, dass das Wissen um die polnischen Opfer des Krieges in Deutschland oft zu kurz kommt. Dass auch der Warschauer Aufstand bis heute viel zu wenig thematisiert wird, gerade in Deutschland.
Wir haben uns deshalb vorgenommen, dieses Wissen zu fördern.
So wurde vor einigen Tagen mitten in Berlin – in der Gedenkstätte Topographie des Terrors – eine Ausstellung über den Warschauer Aufstand wiedereröffnet.
Und wir unterstützen die Initiative, die in Berlin einen Gedenkort für die Opfer des Krieges und der Besatzung in Polen schaffen will. Das ist lange überfällig.
Eine solche Gedenkstätte wäre nicht nur eine Versöhnungsgeste an Polen. Sie wäre bedeutend auch für uns Deutsche selbst.
Wir können die Verbrechen nicht ungeschehen machen. Und viele Wunden werden wohl niemals verheilen.
Aber wir können dazu beitragen, dass der Opfer gedacht wird und zwar angemessen. Dass ihre Lebensgeschichten erforscht und erzählt werden und durch Erinnern lebendig gehalten werden.
Ich freue mich deshalb, dass das Warschauer Pilecki-Institut die deutschen Aktenbestände zum Warschauer Aufstand gemeinsam mit dem Bundesarchiv digitalisieren will.
Sie sind ein Stück deutsch-polnischer Erinnerung, schmerzhafter Erinnerung – an deutsche Verbrechen und polnischen Mut, die wir für die kommenden Generationen in unseren beiden Ländern bewahren müssen.
Viele Vertreterinnen und Vertreter dieser neuen Generation sind heute hier – Schülerinnen und Schüler aus beiden Ländern. Einige von ihnen nehmen an einem neuen Projekt „menschen gedenken“ teil, für das sich Außenminister Czaputowicz und ich uns ganz besonders gemeinsam eingesetzt haben.
Sie zeichnen die Schicksale von Menschen wie Ewa Faryaszewska nach. Menschen, die für Menschlichkeit eingetreten sind – und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben.
Daraus entsteht ein gemeinsames Verständnis für die Vergangenheit, aber auch für die Sensibilitäten des jeweils anderen in der Gegenwart.
Meine Damen und Herren,
Am 1. August 1944 wurde in Warschau europäische Geschichte geschrieben. Warschau hat einen schrecklichen Preis für diesen Aufstand bezahlt. Aber der Freiheitswille der Polinnen und Polen wurde nicht gebrochen!
Umso tragischer ist es, dass sie auch nach 1945 noch fast ein halbes Jahrhundert auf ihre Freiheit warten mussten.
Darauf bezog sich auch der damalige Bundespräsident Roman Herzog, als er vor genau 25 Jahren hier in Warschau betonte, dass Polens Platz ganz selbstverständlich in Europa ist.
Oder um es mit anderen Worten zu sagen: dass Europa amputiert wäre ohne Polen.
Ohne den polnischen Pragmatismus, ohne seine wirtschaftliche Dynamik. Aber auch ohne seinen zupackenden Optimismus, der auch aus der polnischen Erfahrung resultiert, es immer wieder geschafft zu haben, etwas aufzubauen. Auch wenn sie häufig bei Null wieder anfangen mussten.
All das brauchen wir heute in Europa. Von all dem profitieren wir.
Für uns Deutsche ist es ein großes Glück, mit Polen als gleichberechtigte Partner in einem vereinten Europa heute zu leben.
Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung. Wir haben zum Beispiel in Teilen unterschiedliche Auffassungen in einigen Themen, auch was Fragen der Souveränität angeht – aber wie sollte es auch anders sein angesichts unserer jeweiligen Geschichte.
Aber das darf uns doch nicht trennen und das wird uns auch nicht trennen. Die Europäische Union ist kein Projekt, das auf Kosten nationaler Identitäten geht.
Im Gegenteil: sie schenkt uns eine zusätzliche. Eine gemeinsame europäische. Deshalb ist es heute ohne jeden Widerspruch möglich, gleichzeitig stolzer Warschauer, Pole und Europäer zu sein.
Aber diese europäische Identität ist nur vollständig, wenn wir unsere verschiedenen historischen Erinnerungen und Erfahrungen zusammenführen. Wenn sie also auch polnische Vorstellungen und polnisches Erinnern einschließt und abbildet.
Nur so werden wir die Spaltungen überwinden, die wir gerade auch in Europa erleben.
Und das sollte doch unser gemeinsames Ziel sein. Denn Spaltung – das wissen unsere beiden Länder aus ganz unterschiedlichen Gründen – verursacht unglaubliche Schmerzen.
Und ebendas macht uns zu Verbündeten. Und daraus erwächst auch eine gemeinsame Verantwortung. Verantwortung zu gestalten und die Bereitschaft zu Kompromissen im Sinne Europas.
Meine Damen und Herren,
auch heute versuchen junge Warschauer, ihre Stadt per Smartphone festzuhalten. Die Kamera ist aber kein Mittel des Widerstands mehr. Die jungen Warschauerinnen und Warschauer dokumentieren mit ihr ganz beiläufig, dass Polen heute längst
dort ist, wo sein Platz immer sein sollte.
In der Mitte Europas, als freies, souveränes und für Europa unersetzliches Land.
Deutlicher lässt sich nicht zeigen, dass das Ziel der deutschen Besatzer, eine polnische Identität auszulöschen, fehlgeschlagen ist.
Auch dank Menschen wie Ewa Faryaszewska, die über ihr eigenes Schicksal bestimmen wollten. Und damit auch das Schicksal Europas mitgeprägt haben.
Ihr Wille zur Freiheit, ihr Eintreten für Menschlichkeit, all das lebt in der Geschichte Polens und seiner Menschen fort. Und das sind die Werte, die wir heute brauchen. In Polen. In Europa. Weltweit.
Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das Gedenken, das in diesen Tagen hier begangen wird, ein wichtiges. Ein wichtiges für Polen, ein wichtiges für Deutschland, aber auch ein wichtiges für uns alle in Europa.
Das Deutsch-Polnische Bürgerforum in der Europa Union Kassel organisiert gemeinsam mit der Buchhandlung am Bebelplatz eine Lesung mit
Emilia Smiechowski und ihrem Debütroman: „Wir Strebermigranten“!
Wann ? Am 4. April 2019 um 19:30
Wo? In der Buchhandlung am Bebelplatz
Eintritt: 10 Euro
Link zur Facebook-Veranstaltung
Emilia Smiechowski – Freie Journalistin, Autorin
1983 in Polen geboren, flieht 1988 mit ihren Eltern nach Westberlin. Studiert Operngesang und Romanistik. Arbeitet als freie Journalistin und Reporterin; u.a. für GEO, Die Zeit und Süddeutsche Zeitung Ihr Essay über die unsichtbaren Polen in Deutschland wird sie mit dem Deutschen Reporterpreis und dem Deutsch-Polnischen Mazowiecki-Preis ausgezeichnet. Emilia Smiechowski lebt in Berlin.
Klappentext des Verlages:
Emilia war noch Emilka, als ihre Eltern mit ihr losfuhren – raus aus dem grauen Polen, nach Westberlin! Das war 1988. Nur ein Jahr später hatte sie einen neuen Namen, ein neues Land, eine neue Sprache: Sie war jetzt Deutsche, alles Polnische war unerwünscht. Wenn die neuen Kollegen der Eltern zum Essen kamen, gab es nicht etwa Piroggen, sondern Mozzarella und Tomate. Und als Emilia ein Deutschdiktat mit zwei Fehlern nach Hause brachte, war ihre Mutter entsetzt: Was war schiefgelaufen? Ergreifend erzählt Emilia Smechowski die persönliche Geschichte einer kollektiven Erfahrung: eine Geschichte von Scham und verbissenem Aufstiegswillen, von Befreiung und Selbstbehauptung.
11.03.2019, 18:00 Uhr
Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund, In den Ministergärten 3, 10117 Berlin
Veranstalter: Deutsches Polen-Institut
Begrüßung
Staatssekretär Martin Gorholt, Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg
Prof. Dr. Dieter Bingen, Deutsches Polen-Institut
Impulsvortrag
Dr. Raphael Utz, Imre Kertész Kolleg, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Podiumsgespräch mit
Prof. Dr. Martin Aust, Institut für Geschichtswissenschaft, Abteilung Osteuropäische Geschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Dr. Annemarie Franke, Europäisches Netzwerk Erinnerung und Solidarität (ENRS), Warschau, BKGE Oldenburg
Dr. Katrin Steffen, Nordost-Institut Lüneburg an der Universität Hamburg (IKGN e.V.)
Dr. Raphael Utz, Imre Kertész Kolleg, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Moderation: Joanna Stolarek, Neue deutsche Medienmacher
Am 1. September 2019 jährt sich der deutsche Überfall auf Polen und damit der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. In der deutschen Öffentlichkeit fehlt es bis heute an historischem Wissen über die Rassen- und Vernichtungspolitik im besetzten Polen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs waren fast sechs Millionen Bürgerinnen und Bürger der II. Polnischen Republik – Juden und Christen, ethnische Polen und nationale sowie ethnische Minderheiten – als Opfer zu beklagen.
Das Augenmerk der Öffentlichkeit liegt nach wie vor auf dem Zivilisationsbruch mit der Shoa, der Terror gegenüber der polnischen Zivilbevölkerung ist viel weniger bekannt. Der einführende Vortrag von Raphael Utz und die anschließende Diskussion nehmen die lückenhafte Kenntnis von dem allumfassenden Terror im besetzten Polen zum Ausgangspunkt für die Diskussion über notwendige Vermittlung von Wissen – und von Empathie. Das verbindet sich mit dem Thema Erinnerung und Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen deutschen Besatzungspolitik in Polen.
Begrenztes Platzangebot.
Anmeldung ist erforderlich und wird bis zum 1. März 2019 über das Anmeldeformular erbeten.
Das Deutsch-Polnische Bürgerforum in der Europa-Union Kassel e. V. plant im Jahr 2019 für seine Mitglieder sowie interessierte Kasseler Bürger eine Studienreise nach Darmstadt ins Deutschen Polen-Institut.
Termin: Sonntag, 17. Februar 2019
Programmbeginn: 14:00 Uhr
PROGRAMM
Geplanter Ablauf im Deutschen Polen-Institut
– Vorstellung des Instituts mit Aussprache – Manfred Mack, wissenschaftlicher Mitarbeiter
– Führung durch die Ausstellung „Juden in Lublin vor dem Holocaust“ - M. Mack
– Kennenlernen der Bibloiothek
– 17.00 Uhr, Teilnahme an der Veranstaltung „Polenlese. Literarische Abende im Schloß: Czesław Miłosz“ im Karl-Dedecius-Saal – Leitung Dr. Peter Oliver Loew
Zugverbindungen:
Hinfahrt / direkte Verbindung
ab KS Wilh. 11:04
an Darmstadt 13.35
Rückfahrt / 1. Umsteigen in Frankfurt
ab Darmstadt 19.30
an KS Wilhelmshöhe 21:19
Organisation: Krystyna Götz, Vorstandsmitglied der EU Kassel e.V.
Das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt ist ein Zentrum für polnische Geschichte, Politik, Kultur und Gesellschaft und die deutsch-polnischen Beziehungen. Es pflegt die Beziehungen zu dem Nachbarland Polen durch sein Programmangebot vorwiegend in Deutschland. Dabei verbindet es mehrere Aufgaben: Es vereint praxisbezogene Wissenschaft und Forschung, Bildungsangebote für Schulen und Hochschulen, politische Foren, editorische Projekte und öffentliche Veranstaltungen. Das Institut besitzt eine einmalige Spezialbibliothek für polnische Literatur, deutsch-polnische Übersetzungen und Kulturbeziehungen in Geschichte und Gegenwart, die zugleich eine Universalbibliothek für Polen und die deutsch-polnischen Beziehungen ist.
Besonderen Wert legt das DPI darauf, das deutsch-polnische Beziehungsgeflecht in den Kontext der Beziehungen zu anderen Nachbarstaaten und der europäischen Integration zu stellen. Gleichzeitig soll der polnische Beitrag für die europäische Geschichte, Kultur, Politik sowie europäisches Denken untersucht und vermittelt werden. Das 1980 gegründete Institut hat seinen Sitz im Residenzschloß in Darmstadt. Weitere Informationen finden Sie auf der hervorragenden Hompage des Polen- Instituts: https://www.deutsches-polen-institut.de
17.02.2019, 17:00 UHR
Polenlese. Literarische Abende im Schloss:
Czesław Miłosz
DEUTSCHES POLEN-INSTITUT, KARL-DEDECIUS-SAAL, RESIDENZSCHLOSS, MARKTPLATZ 15, DARMSTADT
VERANSTALTER: DEUTSCHES POLEN-INSTITUT
Czesław Miłosz
Lesung im Rahmen der Lesereihe: Polenlese. Literarische Abende im Schloss. (Zugang über den Karolinenplatz/Wallbrücke).
In unserer Lesereihe „Polenlese“ wollen wir die schmackhaftesten Früchte vom reichen Baum der polnischen Literatur pflücken. Wir stellen bedeutende, aber auch weniger bekannte Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor: Es wird gelesen, gesprochen, diskutiert, und wer möchte, kann auch seinen Lieblingstext mitbringen.
Das neue Jahr beginnt mit Czesław Miłosz. Der begnadete Essayist und Analytiker der kommunistischer Ideologie beschrieb in seinem umfangreichen dichterischen Werk die Abgründe des 20. Jahrhunderts. Nobelpreis 1980.
Das Deutsch-Polnische Bürgerforum in der Europa-Union Kassel empfiehlt:
Der polnische Film „Cold War“ von Pawel Pawlikowski läuft im Kasseler Bali-Kino. In Cannes für die beste Regie ausgezeichnet und für den Oscar vorgeschlagen. Die Darsteller - einsame Spitze. Schwarz-Weiß. Zur Filmkritik
Im Rahmen der für Oktober 2018 geplanten trinationalen Bürgerbegegnung in Kassel wird Dr. Dominik Pick das herausragende deutsch-polnische "Geschichtslehrwerk Europa. Unsere Geschichte", das auf Deutsch und Polnische erschienen ist, präsentieren.
Projekt: Schulbuch – Geschichtsdidaktik
Partner: Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI)
Ort: Berlin, Braunschweig
Termin: 2012 - 2018
Finanzierung: Außenministerium, Kulturministerium, Stiftung für Deutsch-
Polnische Zusammenarbeit (Polen); Auswärtiges Amt, KMK (Deutschland)
Geschichte
Im Januar 2008 regten die Außenminister Polens und Deutschlands die Idee eines deutsch-polnischen Geschichtsbuch an und beauftragten die Gemeinsame Deutsch-Polnische Schulbuchkommission, ein Konzept hierfür zu entwickeln. Im Mai 2008 hat das Projekt offiziell begonnen. Es konstituierte sich eine deutsch-polnische Projektgruppe, bestehend aus wissenschaftlichen und politischen Akteuren beider Länder.
Ziele
Ziel des Projektes ist eine Schulbuchreihe, die im deutschen und polnischen Geschichtsunterricht der Sekundarstufe I in identischer Form, lediglich in unterschiedlichen Sprachfassungen, eingesetzt werden soll. Bedeutsam ist, dass es sich nicht um ein Zusatzmaterial, sondern um ein staatlich zugelassenes Schulbuch für das Fach Geschichte handeln wird, das den Lehrplänen beider Länder entspricht.
Bedeutung
Das Projekt ist von hoher bildungs- und wissenschaftspolitischer Bedeutung für die deutsch-polnischen Beziehungen. Beide Seiten zeigen damit ihren Willen, die geschichtlichen Erfahrungen des Nachbarlandes in der schulischen Vermittlung von Geschichte mit einfließen lassen und den Wissenschaftsdialog über historische Themen vertiefen zu wollen.
Konzept
Am 1. Dezember 2010 hat die Projektgruppe in Warschau Empfehlungen für die Erarbeitung eines gemeinsamen Geschichtsbuchs an hochrangige Vertreter der Politik aus Polen und Deutschland übergeben. Der Expertenrat des Projektes macht darin konzeptionelle Vorschläge für die Gestaltung der Schulbuchbände. Diese Vorschläge umfassen ein didaktisches Rahmenkonzept sowie fünf Epochenteile von der Antike bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts und nähern sich zentralen Fragen der europäischen und der globalen Geschichte aus deutsch-polnischer Perspektive.
Planungen
Für die Arbeit eines deutsch-polnischen Verlagstandems liefern die Empfehlungen des Expertenrates wichtige Grundlagen. Im Frühjahr 2012 hat das Projekt „Deutsch-Polnisches Geschichtsbuch“ seine nächste Projektphase begonnen. Nachdem auf deutscher wie polnischer Seite Verlage als Partner gewonnen werden konnten, wurde mit der Arbeit an den einzelnen Bänden begonnen. Auf der polnischen Seite ist der Verlag Wydawnictwa Szkolne i Pedagogiczne WSiP, auf der deutschen Seite die
Eduversum GmbH der Verlagspartner des Projektes. Der erste Band der Schulbuchreihe soll 2016 erscheinen.
Organisation
Neben einem deutsch-polnischen Steuerungsrat wurde ein binationaler Expertenrat eingerichtet, der den Arbeits- und Publikationsprozess wissenschaftlich begleitet. Dessen Vorsitzende sind Prof. Michael G. Müller (Halle) und Prof. Robert Traba (Berlin/Warschau). Die wissenschaftliche Koordination des Projekts wurde auf der deutschen Seite Prof. Eckhardt Fuchs, dem Direktor des Georg-Eckert-Instituts übertragen; auf der polnischen Seite fungiert Prof. Igor Kąkolewski (Berlin/Warschau) als wissenschaftlicher Koordinator. Auf der deutschen Seite vertritt der Kultusminister des Landes Brandenburg Günter Baaske die Interessen der Kultusministerkonferenz in diesem Projekt, auf der polnischen Seite fungiert die Vize-Ministerin im Bildungsministerium Marzenna Drab als nationale Projektbeauftragte. Alle Gremien sind paritätisch besetzt. Das Projekt wird gleichermaßen von den Regierungen beider Länder finanziert.
KONTAKT: Dominik Pick / Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für
Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in
Berlin
Einladung zum musikalischen Festakt
100 Jahre Unabhängigkeit Polens
Sonntag, 11. November 2018, 15 bis 17 Uhr, in der
Musikakademie der Stadt Kassel »Louis Spohr«, Karlsplatz 7
Programm:
Begrüßung der Gäste
Dr. Peter Gries, Direktor der Musikakademie »Louis Spohr«
MUSIK
Grußworte
Prof. Dr. Hermann Heußner, Vorsitzender der Europa-Union Kassel e.V.
Dr. Sebastian Pietrzak, Sprecher des Deutsch-Polnischen Bürgerforums
MUSIK
Festvortrag
Polens Experiment mit der Unabhängigkeit
Krystyna Götz, Vorstandsmitglieder der Europa-Union Kassel e.V.
MUSIK
Ausklang mit Getränken und kleinem Snack
Deutsch-polnisches Bürgerforum in der Europa-Union Kassel
Schirmherr: Oberbürgermeister Christian Geselle
Eintritt frei, um Spenden wird gebeten
Zu einer 9-tägigen Bildungs- und Begegnungsreise nach Polen, gedacht als eine europäische Bürgerreise, hatte die Europa-Union Kassel eingeladen - und 36 Europäer aus Nordhessen waren der Einladung gefolgt. Diese Rundreise führte heraus aus Deutschlands Mitte (= Kassel) nach Posen (= Poznan), über Warschau (= Warszawa) nach Krakau (= Krakòw), weiter nach Breslau (= Wroclaw), und nach Hause zurück.
<link dt-polnisches-buergerforum aktuelles>Unten weiterlesen ...
In Warschau wies ein interessanter Vortrag von Herrn Dr. Pravda auf die Besonderheiten der polnischen Situation in der EU hin. Freundlicherweise wurde dieser Beitrag dokumentiert, Sie können ihn hier nachlesen (Download).
Aufgrund persönlicher Kontakte des <link dt-polnisches-buergerforum http: www.europa-union-kassel.de internal-link internal link in current>deutsch-polnischen Bürgerforums, einer neuen Initiative innerhalb der Europa-Union Kassel, zeichnete sich diese Reise in unser Nachbarland Polen aus durch vielfältige und sehr unterschiedliche Begegnungen. Die liebevoll, überwiegend restaurierten Städte, außer Krakau, wurden den Reisenden durch kompetente, perfekt deutsch sprechende angenehm humorvolle polnische Begleiter gezeigt. („Polnisch sei schwer zu erlernen? Bei uns kann es schon jedes 2-jährige Kind, wo ist die Schwierigkeit?“)
Alle 4 Städte sind geprägt durch ihre Flusslage: an Warthe, Weichsel und Oder, na, da fühlen die Kasseler sich doch gleich wohl! Und in allen Städten begegneten den Reisenden auf Schritt und Tritt die unheilvolle Geschichte Polens. Denn das Königreich Polen war vor 300 Jahren noch einer der größten und einflussreichsten Staaten in Europa. Danach verschwand es durch die gewaltsame Aufteilung auf Österreich-Ungarn, auf Russland und das deutsche Preußen für 123 Jahre von der europäischen Landkarte. Erst 1918, vor 100 Jahren, nach Ende des 1. Weltkriegs erlangte es seine Souveränität wieder. Und nur 21 Jahre später, 1939, wurde Polen überfallen von „Hitler-Deutschland“. Zu den übergreifenden Zielen der deutschen Besatzungspolitik im gesamten Gebiet gehörte die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Juden und der polnischen Intelligenz. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es dem Einflussbereich der Sowjetunion zugeschlagen und wurde als Volksrepublik Polen Teil des Warschauer Pakts. Seit 2004 gehört Polen zur Europäischen Union.
Unsere Gespräche und Begegnungen:
in Posen mit Herrn Kaspar Czapracki, dem tapferen 1.Vorsitzenden des Vereins „Europa. Unia. Polska“, ein kleiner Verein, der für europäische Werte streitet
in Warschau mit der klugen sehr jungen Vertreterin der „Robert-Schumann-Stiftung, die Anregungen für die Europa-Union Kassel gab und mit einem nachdenklichen offiziellen Vertreter der Europäischen Union in Polen Herrn Dr. Marek Prawda, der auf Besonderheiten der polnischen Situation in der EU hinwies. So ist zum Beispiel der faire Wettbewerb in der EU nicht ausreichend gesichert: Die für Polen typischen kleinen mittelständischen Unternehmen können sich oft nicht behaupten und werden von den „Großen“ schon früh aufgesogen oder vom Markt verdrängt.
in Krakau-Kazimierz mit dem Leiter des „Zentrums für Jüdische Kultur“ Herrn Dr. Joachim Russek, der die Aktivitäten des Zentrums vorstellte, die sich an Polen richteten, nicht an Juden.
in Kreisau, unweit von Krakau, mit Frau Nelly Wacker, die junge Bildungsreferentin der internationalen Jugendbegegnungsstätte der Kreisauer Stiftung für europäische Verständigung, ein Ort zum Träumen mit Ausblick auf das „Eulengebirge“
in Breslau begegneten die Reisenden dem Vorsitzenden der „Edith-Stein-Gesellschaft“, Herrn Wittek, und lernten das Leben der Breslauer Jüdin Edith Stein kennen, die innerlich und gedanklich einen weiten Weg gegangen ist und als katholische Nonne 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Der aus Polen stammende Papst Johannes Paul II ernannte sie 1999 zur Patronin Europas.
Fazit:
In Anlehnung an ein Wort des Europäers Ph.Melanchthon „Wir sind zum Gespräch geboren. Geborenes und gebildetes Leben. Die Zusammenhänge verstehen.Ins Gespräch kommen. Wenn dann einer ruft: Sein oder Nichtsein? Das ist hier die Frage. Dann sind wir zum wechselseitigen Gespräch geboren“
Wir sollten in Europa im Gespräch bleiben. In diesem Sinne lädt die Europa-Union Kassel ein zu einer Deutsch-Französisch-Polnischen Bürgerbegegnung vom 15. bis 18. November 2018
Haben Sie Lust mitzumachen,<link buergerbegegnung-2018 class="\"internal-link"" internal-link internal link in current> dann kontaktieren Sie uns.
Europa muss sich neu erzählen, die alten (und immer noch richtigen) Botschaften greifen bei vielen Menschen nicht mehr (z.B. die friedenssichernde Funktion der Gemeinschaft).
Gegen die „Klima“-Verschlechterung in der EU, die „kollektive Amnesie“, setzen die NGO den Bürgerdialog. Ein erlebtes Beispiel dafür sind die von den Dorfvorstehern betriebenen kommunalen Versammlungen zur Vorbereitung des polnischen EU-Beitritts im Jahre 2004; ohne diese Vermittlungsarbeit wäre es nicht zur Zustimmung von 92% gekommen. Die polnische EU-Bilanz ist durchweg positiv. Auf dem Land trägt die EU-Agrarpolitik noch heute, die Bauern sind in der EU zu wirtschaftlichen Gewinnern geworden, Polen wurde vom Netto-Importeur zum Netto-Exporteur von Agrarprodukten innerhalb Europas. Trotz schrumpfendem EU-Haushalts infolge des „Brexits“ um ca. 40 Mrd. Euro erhält Polen zusätzlich 4 Mrd. Euro.
Die klassischen Medien sind nicht interessiert an EU-Themen, die jüngere Generation nutzt die sozialen Medien und lässt sich hier ansprechen. Blogger bedienen sich allgemein einer präzisen Sprache („Genies der Worte“) - sie sind empfänglich für bzw. interessiert an Informationen zu Europa; im Dialog der EU-Kommission (Dr. Pravda) mit ihnen wurden gute, vielleicht auch anderswo nutzbare Erfahrungen gesammelt.
In Polen geht es um eine „zivilisatorische Option“: Polen bietet wie andere EU-Länder das Bild einer „toxischen Lage“ der Innenpolitik insbesondere im Verhältnis zur EU– gegen den antizipierten (mentalen) EU-Austritt müssen die Europäer eine verständlichere Sprache und auch deutliche Worte setzen: das Verbindende herausstellen, also gerade nicht nach einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten streben! Die (Kritik an der) PIS-Politik sollte indessen nicht den Blick darauf verstellen, dass immer noch eine Mehrheit der Polen eine positive Haltung zu Europa einnimmt. Die Europäer sollten darüber hinaus auch nicht vergessen, dass die polnischen Partner vielleicht manchmal auch „anders denken“. Kontraproduktiv wäre deshalb, wenn Polen aus der Position der Augenhöhe etwa in den laufenden Haushaltsverhandlungen mit der EU gedrängt würde.
Die EU wurde Opfer ihres eigenen Erfolgs, Neid tritt an die Stelle berechtigten Stolzes und führt die liberalen Demokratien in die Krise. So spielten die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse im Vergleich zum EU-Standard vor dem Beitritt Polens (1 : 10) kaum eine Rolle, heute (1 : 3) wird diese Differenz in Polen kritisch gesehen (Neid: Polen als „verlängerte Werkbank“ von VW o.ä, geringer Lohn gegenüber hohen Fahrzeugpreisen). Die Anpassung geht vielen, vor allem jungen Leuten nicht schnell genug (Beispiel der Tochter, die nach dem Studium in England nun auch europäische Vergütung erwartet). Die Bürger hören, es sei alles positiv, was beim Einzelnen so aber nicht (mehr) ankommt.
Die politischen Rattenfänger gefährden mit EU-feindlichen Maßnahmen die Grundlagen der EU (und der Mitgliedstaaten!), sie bieten einfache Lösungen an, obwohl die Probleme komplex sind. Sie untergraben aus Gründen der Sicherung ihrer politischen Machtstellung (das Vertrauen der Menschen in) die Rechtsstaatlichkeit. Die Populisten kaufen sich Wählerstimmen mit sozialen Leistungsversprechen (z.B. 500 PLN Kindergeld monatlich).
Der Rechtsstaat sichert die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs; der faire Wettbewerb ist in der EU aber nicht ausreichend gesichert: Die für Polen typischen KMU können sich oft nicht behaupten und werden von den „Großen“ schon früh aufgesogen oder vom Markt verdrängt. Die kleineren „Innovativen“ müssen besser gefördert werden, der Zugang zum Markt gegen oligopoläre Tendenzen geschützt und die Vielfalt der Märkte gestärkt werden. Nachdem der EU-Start in Polen gelungen war, ist nun die Frage nicht geklärt, mit welchen (politischen/ökonomischen) Instrumenten dies gelingen kann.
Welche Chancen bietet die EU? Mit Macron sollte auf die Stärkung der Mitgliedstaaten durch die EU gesetzt werden, die nationalen Stärken gefördert und nicht geschliffen werden. Die EU-Institutionen bedürfen der Reform zwecks Stärkung des Projekts Europa „von unten“. Europa neu erzählen, das verlangt vor allem eine klarere Sprache und neue Bilder bzw. Botschaften, um sich gegen die populistischen politischen Moden zu behaupten; richtige Grundwerte (wie der Friedensimperativ) müssen deshalb ja nicht aufgegeben werden. Die Krise des polnischen Rechtsstaats (s. das Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission) gehört wohl eher nicht in diese Kategorie, die aufgeworfenen Fragen greifen vielleicht Intellektuelle auf, betreffen aber kaum ein praktisches Problem des Normalbürgers.
Die neuen Bilder werden kaum top down durchgesetzt werden können, ihre Entwicklung ist gerade eine große Chance der Bürgerbewegungen. Die Bürger der Union erkennen, was hier auf dem Spiel steht; sie können in vielfältiger Form, durch zwischenstaatliche Kooperationen, Begegnungen und Demonstrationen das Thema Europa (be-)leben. Not tut eine permanente Überzeugungsarbeit der Europäer, dass die polnischen Probleme besser in der EU als nur im nationalen Rahmen gelöst werden können!
Polen und Deutschland verbindet eine über tausendjährige wechselhafte Nachbarschaft. Dank aufrichtiger Bemühungen herausragender Persönlichkeiten beider Länder ist eine schwierige Aussöhnung nach dem 2. Weltkrieg von Polen und Deutschen gelungen. Diese Bemühungen mündeten in dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Seit dem 1. Mai 2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union. Unsere Bürger-Reise nach Polen möchte diesen Weg der Verständigung durch Bürgerbegegnungen und vielfältige Kontakte vertiefen.
Alle Details entnehmen Sie bitte dem ausführlichen Flyer. Das Wichtigste in Kürze:
• Fahrt im modernen Reisebus ab / bis Kassel
• 8 x Übernachtung mit Frühstück in Hotelanlagen der guten und gehobenen Mittelklasse
• 8 x Abendessen im Hotel
• Besichtigung von Poznan mit einem lokalen deutschsprechenden Reiseführer, ca. 2 h
• Besichtigung von Warszawa mit einem lokalen deutschsprechenden Reiseführer, ca. 4 h
• Besuch des POLIN Museums mit einem Museumsführer
• Besuch des Museums des Warschauer Aufstandes mit Führung durch einen deutschsprechenden
Museumsführer
• Besuch der Oper „Feuervogel“ in Warschau
• Besichtigung von Krakow mit zwei lokalen deutschsprechenden Stadtführerinnen, ca. 3 h
• Eintritt in die Marienkirche
• Besuch des Chopins Konzert in Krakau, 1 x Glas Wein während des Konzertes
• Besichtigung von Kazimierz in Krakau mit einem lok. deutschsprechenden Reiseführer, ca. 2 h
• Besuch der Schindler Fabrik
• Besichtigung von Breslau mit einem lokalen deutschsprechenden Reiseführer, ca. 4 h
• Eintritt in die Aula Leopoldina und die Kathedrale
• Tagesreiseleitung Ausflug Kreisau
• Besichtigung von Kreisau mit einem lok. Reiseführer
• Begleitung durch die Europa-Union Karlsruhe
• nationale und lokale Steuern (ausg. unplanmäßige)
• Informationsmaterial & Reiseunterlagen
• Reisepreissicherungsschein
Anmeldeschluss: 25.03.2018
Anmeldung:
Europa-Union Kreisverband Kassel. e.V.
Andrea Heußner
Breitscheidstr. 51
34119 Kassel
Tel: 0561- 18825
email: heussner-andrea (at) t-online.de
Veranstalter im Sinn des Reiserechts:
via cultus Internationale Gruppen- und Studienreisen GmbH,
Märchenstr. 13, 76297 Stutensee
Am 22. November 2017 präsentierte Dr. Matthias Kneip sein Buch „111 Gründe Polen zu lieben. Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt“ in der Buchhandlung am Bebelplatz. Im überfüllten Verkaufsraum hat Matthias Kneip das interessierte Publikum mit Witz, Kompetenz und differenzierter Landerkenntnis in seinen Bann gezogen. Das Buch fand bei den Anwesenden an diesem Abend reißenden Anklang. Die HNA schrieb über die Veranstaltung:
Matthias Kneip ist neben seiner erfolgreichen schriftstellerischen Tätigkeit wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt.